Kapitel Nr.
Kapitel 08.06

Wie Visp die Reformation erlebte

Die tiefgreifenden religiösen Wirren, die im 16. Jahrhundert ganz Mitteleuropa prägten, ergriffen auch das Wallis und nicht zuletzt Visp. Dass die Reformation im Wallis rasch Anhänger fand, kam nicht von ungefähr. Das Land war vom Bürgerkrieg ausgeblutet, der ab 1509 zwischen den Zenden immer wieder aufflackerte. Überfälle auf beiden Seiten verunsicherten die Strassen. Der Handel lag darnieder.

Die Karte zeigt die katholischen und die reformierten Gebiete der Eidgenossenschaft 1536, in der Reformationszeit. Das Gebiet zwischen Brig und Leuk wird als «überwiegend katholisch» bezeichnet, das übrige Wallis als katholisch.

© Marco Zanoli, Sidonius, 2006, CC-BY-SA/2.5/de, commons.wikimedia.org

Bündnisse mit der Innerschweiz

Von aussen suchten die alten Orte (Innerschweiz) mit allen Mitteln, im Wallis die allgemeine Annahme des neuen Glaubens zu hintertreiben. Am 27. Januar 1525 erklärte der Visper Landeshauptmann Simon In Albon in Luzern den versammelten Orten, seine Landschaft wolle beim alten Glauben bleiben.

Die Innerschweizer versuchten nicht nur, den alten Glauben im Land zu stärken; zur Wahrung dieses Glaubens und zum Schutz der Selbstständigkeit und des Territoriums schlossen sie am 12. März 1529 mit Bischof und Zenden ein Bündnis. Dieses sollte in der Regel alle zehn Jahre feierlich erneuert werden.

Erste Spuren von Protestanten

Wann die «neue Lehre» erstmals ins Wallis gebracht wurde, lässt sich nicht feststellen. Sicher ist, dass die verworrenen politischen und kirchlichen Verhältnisse einen günstigen Boden für ihre Aufnahme bereiteten. Etwa 1524, zwei Jahre nach Schiners Tod, soll es im Wallis Priester gegeben haben, die für die Reformation eintraten und sich für deren Verbreitung einsetzten. Damals und auch später beschloss der Landrat, dass niemand aus dem weltlichen Stand in der Landschaft vom lutherischen Glauben sprechen dürfe. In Sitten selbst sah die Wirklichkeit jedoch etwas anders aus.

Städter und einflussreiche Familien wandten sich mehr und mehr der Reformation zu. In Leukerbad zum Beispiel wurde keine Messe mehr gelesen. In Leuk waren die vornehmsten Familien dem neuen Glauben zugetan. In Sitten bildete sich eine neugläubige Gemeinde, die bald 200 Mitglieder umfasste, unter ihnen der nächste Verwandte des Bischofs, Johann von Riedmatten; sie berief einen reformierten Pfarrer aus Genf.

Bischof musste Kompetenzen an Landrat abtreten

Die Landleute hatten unter der harten Herrschaft des Bischofs zu leiden. Zwar musste der fast allmächtige Bischof und Landesherr seit anfangs des 16. Jahrhunderts zusehends von seinen Kompetenzen an den inzwischen geschaffenen Landrat abtreten. Der Landesherr berief den Landtag ein und führte dort den Vorsitz. Er unterschrieb Gesetze und Bündnisse. Die Gesetzgebung aber lag beim Landrat. Ihm gehörten die Boten der sieben Zenden an: Goms, Brig, Visp, Raron, Leuk, Siders und Sitten.

Der Landrat wählte den Landeshauptmann, der die Regierungsgeschäfte besorgte. Er wählte auch die Kastlane und Vögte, die von Martigny, Monthey und Evian aus das Unterwallis verwalteten. Die Boten durften nur Vorlagen zustimmen, zu denen sie von ihrem Zenden einen Auftrag hatten. Wurden neue Händel besprochen, mussten die Boten bei ihren Zenden deren Meinung einholen. Die Zenden ihrerseits befragten die Dörfer um ihre Meinung.

Visper kaufte Brigerbad

Am 23. Juni 1520 erwarb der spätere Landeshauptmann Jodok Kalbermatter von Kaspar Eriller vom Holz in Glis die Heilquellen von Brigerbad und zwar für den Preis von 415 Mörsiger Pfund. Er besass das Bad vor Peter Owlig, der das sogenannte Zugrecht (Vorkaufs­recht) geltend machte und für denselben Kaufpreis die warme Quelle, Haus, Stallung, Gärten und Weinberge an sich brachte.

Reformierter Wunschkandidat Platter lehnte ab

In Visp hatte man durch den aus Grächen stammenden Thomas Platter Kontakt mit der neuen Lehre, denn er führte hier um 1530 kurz eine Privatschule, vermutlich auf Initiative von Simon In Albon. Platter war seit seinem Aufenthalt in Zürich Anhänger der Reformation. Allerdings hielt er sich in Visp sehr zurück, was die Reformation anbelangt. Später sollte er als Humanist in Basel bekannt werden.

Immer wieder wurde im Landrat die Landesschule gefördert, damit die Knaben – von den Mädchen war keine Rede – nicht auf die evangelischen Schulen gehen mussten. Thomas Platter wurde angefragt, ob er diese Schule leiten wolle. Als er ablehnte, fiel es schwer, einen anderen Schulmeister zu finden. Ab 1534 leitete schliesslich der Basler Christian Herbort die Walliser Landesschule, trat aber vermutlich 1545 zurück, nachdem ihm der Landrat das Gehalt gekürzt hatte – dies, weil er seine Glaubenseinstellung mehrfach gewechselt habe. Neuer Schulmeister wurde später Johannes von Schalen, der seine Ausbildung bei Thomas Platter in Basel genossen hatte.

In dieser Zeit amtete Peter Owlig als Landeshauptmann. Das Brigerbad, das er betrieb, brachte ihn auch mit vielen Protestanten in Berührung, unter anderem mit Thomas Platter, dem er Studenten aus dem Wallis zuwies. [Siehe auch Kapitel 08.07 «Der Grächner Gelehrte Thomas Platter begann als Schulmeister in Visp».]

Platter als Hühnerkrämer getarnt

Der reformierte Oberwalliser Thomas Platter hatte 1526 während der Badener Disputation im Aargau geheime Briefe zwischen Baden und Zürich hin- und hergetragen. Für diesen gewagten Auftritt gab er vor, mit Hühnern zu handeln, damit die Wachen ihn ungehindert passieren liessen.

Hinrichtung als Hexe

1528 wurde in Visp die Tochter des Grosskastlans Jodok Möritzen als Hexe hingerichtet.

Humanist und Internatsleiter Platter wirkte von Basel aus

Offenbar kam Thomas Platter auch nach seinem Wegzug aus Visp eine bedeutende Rolle in der Verbreitung der Reformation im Wallis zu. In einem seiner Briefe vom 12. Juli 1538 an den Zürcher Nachfolger Zwinglis, Heinrich Bullinger, hielt er fest, dass die neue Lehre im Wallis unaufhaltsam an Boden gewinne. Es sei aber verfrüht, schon von unbedingter Glaubenstreue der Walliser zu sprechen. Er fand, der Bischof sei nicht zu fürchten, habe er doch vor Kurzem bei ihm gespeist; dabei hätten sie sich längere Zeit über die neue Lehre unterhalten.

Das Volk schimpfe zwar schon recht tapfer gegen die Geistlichen und ihren unwürdigen Lebenswandel. Dieser solle aber nicht als Vorwand für einen Übertritt zur neuen Lehre gebraucht werden.

Platter setzte alle seine Hoffnungen auf die führenden Schichten, die sogenannten Patrioten. Sie seien samt und sonders Freunde des Evangeliums. Einzig die Furcht vor einem Volksaufstand halte sie von einem offenen Übertritt ab.

In den Dörfern und Städten gab es nur wenige Familien, die dem politischen Geschehen folgen konnten. In den Dokumenten tauchen immer wieder dieselben Namen auf. Es handelte sich um Männer, die in der Schule lesen und schreiben, Latein und Französisch gelernt hatten. Da es im Wallis selbst an Schulen mangelte, gingen die meisten Knaben der herrschenden Familien dafür nach Bern, Zürich oder Basel. Da diese Städte aber bald im Bereich der neuen Lehre lagen, kam mit den Studenten reformiertes Gedankengut ins Wallis.

Im Wallis suchten viele Menschen die Erneuerung innerhalb der alten Kirche. Es war klar, dass Reformen dringend notwendig waren. Die Frage stellte sich, ob dies innerhalb der bestehenden Strukturen möglich war oder ob etwas völlig Neues kommen musste.

Reformation nur wegen Missständen beim Klerus?

Während die geistlichen Landesherren in ihren weltlichen Geschäften aufgingen, führten Priester einen lockeren Lebenswandel. Viele Geistliche bezogen die Einkünfte ihrer Pfründe, ohne sich im Übrigen um ihr Amt zu kümmern; sie fanden es nicht einmal nötig, sich in ihren Pfarreien aufzuhalten. Mancher Pfarrer vereinigte mehrere Pfründen in seiner Hand und liess sie durch ungenügend ausgebildete Vikare versehen. Noch 1569 empfahl ein Pfarrer dem Bischof seine vier Kinder und deren Mutter, die im Pfarrhaus wohnten. Ein anderer Pfarrer bat den Bischof um den Segen für seine vier oder fünf Kinder und deren Mutter.

Schon lange vor dem Eindringen der Reformation ins Wallis hatte hier Unzufriedenheit mit den kirchlichen Zuständen geherrscht. Es gab kein Priesterseminar im Land. Die religiöse Erziehung wurde vernachlässigt.

Die Geistlichen hatten zum Teil nichts gelernt und lebten lasterhaft. Schon um 1420 war verfügt worden, jene Geistlichen, die weder lesen noch singen könnten noch die Sakramente zu verwalten verstünden, seien zu bessern, zu belehren und zu bestrafen. Anlässlich einer Pastoralvisite des Bischofs Jean Jordan von 1550 befahl dieser, dass alle Pfarrer und Vikare jeden Sonntag predigten und das Volk in seiner Sprache beten lehrten. Die Pfarreien wurden oft von Fremden verwaltet, manchmal sogar von Landstreichern, wie ein Domherr sagte.

Die Missstände im Klerus erschienen als eines der stärksten Hindernisse für den alten Glauben. Immer wieder wurde daher von den Geistlichen «ein priesterliches Leben und gutes Exempel» verlangt.

Da der Grund der Reformation nur in den Missständen beim Klerus gesehen wurde, verschärfte man in der Kirche die entsprechenden Massnahmen. Man prüfte das Predigen und die Prediger, die Spendung der Sakramente ohne Lohn, Kleidung und ehrbare Wohnung. Ebenso prüfte man Geistliche, die Prälaten von vorbehaltenen Sünden lossprachen, Kurtisanen und Erbschleichung durch Geistliche zuliessen. Ziel war eine gründliche Reform des Klerus.

Verkommene Geistlichkeit, verrufene Ohrenbeichte

Während in Bern und Zürich das gemeine Volk und die Zünfte zuerst zur Reformation übertraten und erst später die gebildeten und führenden Kreise, so war es im Wallis gerade umgekehrt. Herrenfamilien wurden zu Trägern der neuen Ideen, verloren aber bald die Interessen des gemeinen Volkes aus dem Auge und dachten nur noch an ihren eigenen Vorteil und den eigenen Aufstieg.

Ein Teil der Leute erkannte die Unrechtmässigkeit der harten Herrschaft ihres Bischofs und Landesherrn. Sie hatten genug von Betrügereien von habgierigen, liederlichen Pfarrern. Sie wollten keine Ohrenbeichte mehr ablegen bei Priestern, die anschliessend zu den Richtern liefen und sie verklagten. Sie wollten ihr Seelenheil nicht mehr mit Geld für geweihte Kerzen, Wasser oder heiliges Salz kaufen. Etliche sagten sich von ihrer Kirche los.

Landrat urteilte in Glaubenssachen

Der Januar-Landrat von 1525 sandte von Visp aus einen Brief nach Zürich, der zum Frieden mahnte: «Euer Schreiben betreff die Zwietracht, die zwischen euch und einer löblichen Eidgenossenschaft wegen des christlichen Glaubens erwachsen ist, haben wir mit schwerer Betrübnis vernommen. Wir bitten Euch, solchen Handel ohne weiteres abzustellen und nicht allein Zwingli Glauben zu schenken.» Es wurde auch auf das Burg- und Landrecht verwiesen, welches das Wallis verpflichtete, Luzern, Uri und Unterwalden bei einem kriegerischen Aufruhr zu helfen.

Rom schaltete sich ein

Da schaltete sich auch der Vatikan in die unsicher gewordene Lage ein, die durch das Aufkommen der Reformation im Wallis entstanden war. Am 16. November 1526 schrieb Papst Clemenz XII. an das Domkapitel in Sitten, gegen die hier aufkommenden abergläubischen Meinungen, gegen die lutherische Ketzerei müsse nach Recht vorgegangen und eingeschritten werden.

Landrat erliess Verhaltensregeln für Geistliche

Am Landrat von 1528 wurden folgende Artikel aufgesetzt, die das Verhalten der Priester regelten:

  • Wenn Priester von Kranken und Laien Gaben heischen, so sind die Erben nicht verpflichtet, diese auszurichten.
  • Kein Priester soll für das Spenden der Sakramente Geld annehmen.
  • Kein Geistlicher darf mehr als eine Pfarrei haben. Er muss diese selbst versorgen, darf sie nicht an andere weitergeben.
  • Der Beichtiger (Beichtvater) darf niemanden einer weltlichen Strafe zuführen (Beichtgeheimnis).
  • Künftig sollen Priester keine Schwerter, Degen, Beile oder Dolche tragen.
  • Priester sollen nicht mit Dirnen ein unenthaltsames Leben führen und trotzdem die Messe lesen und Sakramente spenden. Er soll solche Weibspersonen innert Monatsfrist entlassen.
  • Arme Leute, die doch kaum ihren Kindern zu essen geben können, dürfen von ihnen nicht mehr zu Jahrzeit-Stiftungen gezwungen werden.

Strafe für Fleischgenuss in Fastenzeit

Auf Wunsch der Innerschweizer verurteilte der Walliser Landrat um 1540 einige Leute, weil sie zur Fastenzeit Fleisch gegessen hatten. So musste der Visper Nikolaus Im Eich, der jüngere, für drei Tage bei Wasser und Brot ins Gefängnis. Das Fleisch hatte ihm Anni, die Frau von Joder von Schalen, Wirt zu Visp, aufgetischt. Zur Strafe musste sie in Sitten barfuss und mit offenen Haaren vom Wirtshaus des Hans Perrig bis zur Theodulskirche gehen und dabei ein Pfund Wachs tragen.

Eine Aufnahme aus dem Jahr 1910; sie zeigt das «Alte Pfarrhaus» von 1551, das eigentlich das Privathaus von Pfarrer Peter Kaufmann war. Davor der Aufgang zur St. Martinskirche, die im 17. Jahrhundert neu gebaut wurde.

ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Fotograf unbekannt, Ans_13054, Public Domain Mark

Das lasterhafte Leben des Visper Kilchherrn Kaufmann

Auch in Visp wirkte ein Pfarrer, der schweres Ärgernis erregte: Pfarrer Peter (Petrus) Kaufmann, ein Mann von Bildung, aus Törbel gebürtig, der für die Reformation eintrat und die Interessen der Neugläubigen vertrat. Er war allgemein bekannt als wirrer Kopf, wegen seiner Unbeständigkeit und wegen seiner sittlichen Haltlosigkeit.

Rauferei am Kircheneingang

Peter Kaufmann wirkte 1534 und 1535 zunächst als Vikar in Visp. Im Frühjahr 1536 wurde er Kaplan und fiel unangenehm auf, als er im Tor der unteren Kirche im Streit von Stephan von Riedmatten angegriffen wurde. Mit dieser Rauferei wegen des neuen Glaubens befasste sich am 26. April 1536 auch der Landrat in Sitten. Dieser zog dabei in Erwägung, dass auch Kaplan Kaufmann angegriffen haben könnte. So sprach er von Riedmatten frei unter der Voraussetzung, dass dieser vor dem Bischof im Landrat öffentlich kniefällig Abbitte leiste. Bei von Riedmatten handelte es sich offenbar um einen Verwandten des Bischofs, denn Kaufmann verlangte eine gerechte Bestrafung ohne Rücksicht auf den Bischof. Das Protokoll hielt fest, der Bischof sei über die Bestrafung Stephans sehr ungehalten gewesen.

Von 1539 an war Kaufmann Pfarrer von Visp. Der Visper Ortspfarrer benutzte das Aufkommen der Reformation, um sein Amt zu missbrauchen. Wegen seiner «ungläubigen» Gesinnung soll er vom «fanatischen» Hottinger gelobt worden sein. In Visp selbst sorgte Kaufmann für viel Unmut durch ein Leben, das ihm die Bezeichnung «schlimmer Pfarrer» eintrug. Er gestattete sich dauernd Ehebruch und andere «Untaten»; mit zwei seiner Schwestern hielt er «bywonung». Als haltloser Mensch, als der er galt, konnte er wohl auch nicht als Aushängeschild für die neue Lehre gelten. Ebenso dürfte Kaufmann der Reformation wohl kaum genützt haben, als er das Nichtstun der jeweiligen Bischöfe in den Dreck zog.

Bischof liess Geistliche gewähren

Wie schwach das Bistum auf Kaufmanns Gebaren reagierte, zeigt, dass der Dorfpfarrer dieses wichtige Amt während nicht weniger als 25 Jahren ausüben durfte; der «gnädige Herr» liess Geistliche wie die Pfarrherren von Visp und Raron gewähren. Dem Bischof wurde vorgehalten, dass er in seiner Diözese kein «dapfer reform täte». Beim Volk herrsche darüber grosser Unmut. Weil der Bischof selbst mit seinem Hof «gantz nobel hushalte», gebe er den geistlichen Stand der Verachtung des Volkes preis. Der Bischof besetze nämlich die Pfründen mit schlechten Geistlichen, die nur kümmerlich lesen und beten und überhaupt nicht predigen könnten. Er vergebe die Pfründen einfach an den Meistbietenden.

Neben Pfarrer Peter Kaufmann, wohlhabend und politisierend, gab es in Visp noch mehrere Kapläne und Altaristen an beiden Kirchen, die meisten sehr arm, ungelehrt und haltlos. Der Freiburger Stadtschreiber, in Sitten zu Gast, stellte fest, dass sie dort «uff die Pfaffen schlagend» und dass die Mehrheit bereits des neuen Glaubens sei. 

Das «alte Pfarrhaus», das der umstrittene Pfarrer Peter Kaufmann 1551 privat für sich und seine Familie südlich der Pfarrkirche bauen liess. Ursprünglich war es nur ein kleines Häuschen, wie es heute wieder dasteht. Erst später erhielt es den gemauerten Anbau unter tief herabgezogenem Schleppdach. Neben dem Hauptportal mit dem zeittypischen rundbogigen Tuffsteingewände sitzt im steinernen Anbau ein weiteres Tor mit Kalksteinbogen. Oswald Imhof kaufte und renovierte das Haus 1975.

© Peter Salzmann

Neues Privathaus für die Pfarrfamilie

1551 errichtete sich Pfarrer Peter Kaufmann unmittelbar südlich der St. Martinskirche, direkt gegenüber dem Haus am Hengart, ein Privathaus, das noch heute steht.

Anfänglich entstand vermutlich nur das untere schmale Holzgeschoss des südlichen Teils mit dem vorkragenden Holzgebälk, das beidseits mit gemauerten Streben abgestützt war. Die kleinen Fenster liessen wohl nur spärliches Licht eindringen, sie verminderten aber in düster kalten Wintertagen den Wärmeverlust.

Die Aufstockung des oberen Holzgeschosses und der nördliche Anbau unter dem steinernen Schleppdach aus dem Jahr 1567 bargen die damals unentbehrlichen Ökonomiegebäude.

Die Tuffsteine für die Fenster- und Türverkleidungen dürften zu einem guten Teil aus dem nahen Bächjigraben an der heutigen Strasse nach Visperterminen stammen. An Kaufmanns Haus zierten sie das prächtige Rundportal und das kleine Fenster des Treppenhauses.

Absetzung von Pfarrer Kaufmann gefordert

Im Verlauf des Jahres 1556 konnten die Neugläubigen am Ort einige Erfolge feiern; die Aussichten für die Reformierten schienen in Visp um diese Zeit günstig gewesen zu sein. Pfarrer Peter Kaufmann, der für die Reformation eingenommen war, erwies dieser mit seinem unmöglichen Verhalten allerdings nur schlechte Dienste.

Die katholischen Kantone in der Innerschweiz, beunruhigt über die Vorgänge im Wallis, versuchten dort immer wieder, zugunsten des alten Glaubens Einfluss zu nehmen. So stellte Luzern 1560 die entschiedene Forderung an den Landtag, die Kilchherren von Visp und Raron in ihrem Amt abzusetzen.

Wohl auf besonderen Wunsch der Berner wurde eine Untersuchung gegen den Pfarrer von Visp eingeleitet. Dieser hatte auf der Kanzel das Volk ermahnt, für den Bischof, den Fiskal und die Landräte zu beten, damit das Land nicht den Bernern preisgegeben werde. Wie aus der Klage der Berner zu erkennen ist, hatte sich Kaufmann auch energisch gegen ihre politische Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Wallis gewehrt. Die Boten sollten dem Gerede auf den Grund gehen, das vom Pfarrer von Visp verbreitet wurde, wonach die Berner die Absicht hätten das Wallis zu unterwerfen.

In seinen Predigten soll Kaufmann auch in aufrührerischer Weise gegen den Bischof und den Landrat gelästert haben. Diese hintergingen das Volk; sie brächten nämlich nicht einen Drittel dessen vor die Gemeinde, was sie in Abschied nähmen. Wenn er, Pfarrer Kaufmann, nach Sitten käme, würde man ihn vergiften.

Peter Kaufmann wurde vor den Landrat zitiert, dort aber sonderbarerweise nicht bestraft, damit nicht der Eindruck entstehe, man hätte es auf sein Geld abgesehen. Der Verzicht auf die Bestrafung des Visper Kilchherrn zeigt, dass viele den Schein der Altgläubigkeit unter allen Umständen wahren wollten, auch wenn sie innerlich schon weit davon abgerückt waren.

Aufgrund der Ergebnisse der Untersuchungen bestrafte der Landrat Pfarrer Kaufmann im Juli 1560 wegen seiner sittlichen Vergehen mit 14 Kronen: Kaufmann protestierte dagegen in der Predigt, als sei ihm Unrecht geschehen. Dies wiederum rief unter den Gläubigen grosse Empörung hervor.

Geschäfte im Pfarrgarten

Im Domherrn und Domdekan Martin Lambien besass der umstrittene Visper Pfarrer Peter Kaufmann einen treuen Freund. Den einflussreichen Vertreter des Sittener Domkapitels verbanden mannigfache Geschäftsbeziehungen mit dem Visper Kilchherrn. So traf man die beiden an einem Sommerabend des Jahres 1564 in Gesellschaft einiger Visper Herren im Pfarrgarten von Visp, wo sie einmütig ihre Rechnung abschlossen. Wenige Jahre später überraschte man sie wieder in Visp bei einem Festmahl.

Peter Kaufmann starb früh an der Pest.

Der andere Pfarrer Kaufmann, ein kluger Wissenschaftler

Vor dem berüchtigten Pfarrer Peter Kaufmann hatte in Visp von 1509 bis 1535 bereits ein Pfarrer Kaufmann gewirkt. Dieser trug den Vornamen Johann, war Magister der freien Künste und hatte einen ungleich besseren Ruf. Die Tätigkeit der beiden in der Pfarrei Visp überschnitt sich kurz.

Johann Kaufmann (Mercator) stammte wahrscheinlich von Burgen unterhalb von Törbel. 1500 war er, den man Kleriker von Stalden nannte, Rektor in der St. Theodulskirche von Sitten. 1504 erlaubte ihm das Domkapitel, sich ausser Landes zu begeben, um seine Gelübde zu erfüllen und zu studieren. Von 1509 an ist er als Pfarrer von Visp aufgeführt. In seinem Namen handelte 1509 Anton Mercator als sein Statthalter. Am 10. Mai 1514 handelte er in Visp über ein «Todtenpfund».

Wegen seiner «Klugheit und Wissenschaft» wählte ihn das Kapitel 1525 zum Domherrn von Sitten, aber Kaufmann behielt die Pfarrei Visp, wo er im Sommer 1541 starb.

Das «Verzeichnis von Priestern aus dem deutschen Wallis», herausgegeben vom Geschichtsforschenden Verein Oberwallis, erwähnt noch einen Anton Kaufmann, Pfarrverweser und Statthalter des Johann Kaufmann und 1509 Vikar von Visp. Er zog am 2. August 1511 als Beichtiger nach Oberhüsern.

Untersuchung in den Pfarreien und Bestrafung

Auf den Landtag vom Dezember 1559 hin stellten offenbar die oberen Zenden den Antrag, in allen Pfarreien eine Kunde aufzunehmen über das Leben und Wesen der Geistlichen und Laien. Aus dem Protokoll des Landrats von 1559: «Es wird erneut hingewiesen, dass in der Landschaft einige Geistliche, aber auch Laien, ein unehrbares und ungeziemendes Leben führen und ein schlechtes Beispiel geben. Der Landrat beschliesst und gibt dem Fiskal den Auftrag, in allen Pfarreien eine Untersuchung durchzuführen, doch in Gegenwart des Ortsrichters und zweier oder dreier Ratsherren. Nach dieser Untersuchung soll Unser Gnädiger Herr mit Rat einiger Geistlicher, des Landeshauptmanns und ehrenwerter Landleute, die er dazu einberufen soll, vorgehen und solche Geistliche und Laien von ob und nid der Mors, nach verdienst des handels‘ bestrafen.»

Der Landtag vom 4. bis 16. Dezember 1560 beschloss, dass von Bischof und Landrat an Leib und Gut bestraft werden solle, wer etwas gegen den alten Glauben unternehme. Dem Bischof wurde nahegelegt, allen Kilchherren zu befehlen, das Evangelium, die zehn Gebote, das Vater Unser, den Englischen Gruss und den Glauben in der natürlichen Sprache zu verkünden. Wenn das nicht geschehe, so werde man selber das Nötige unternehmen.

Hohes Amt als Ablenkung von Reformation

Der erwähnte Peter Owlig, Betreiber des Brigerbads und der Reformation wohlgesinnt, wurde 1538 zum Landeshauptmann gewählt. Es hiess, dies sei nur geschehen, damit er endlich von seinem «Praktizieren mit den Lutherschen» ablasse. Aus einem Brief seines Freundes Thomas Platter geht hervor, dass Owlig wohl der neuen Lehre anhing und er im Auftrag Platters die Erneuerung des Verbots protestantischer Schulen hintertreiben und sich bei den Grossen des Landes für Platter einsetzen solle. Owlig aber wagte es nicht, offen mit seiner Überzeugung vor das Volk zu treten.

In den folgenden Jahren blieb die Haltung der Landschaft in der Glaubensfrage unverändert; auf beiden Seiten herrschte grosse Furcht vor einer entscheidenden Auseinandersetzung.

Mittellose nicht geduldet

Der Landrat verordnete am 16. Dezember 1545: «Fremde dürfen sich im Wallis ohne Niederlassungsbewilligung nicht niederlassen.»

Bei dieser Einschränkung der Niederlassung spielte offensichtlich die Tendenz mit, mittellose Fremde, die als Arme dem Gemeinwesen hätten zur Last fallen können, abzuhalten.

Man wusste im Wallis, dass ähnliche Verordnungen auch andernorts, zum Beispiel in Zürich, gehandhabt wurden.

Pest zur Zeit des Trinkelstierkriegs

Um 1550 herrschte in Visp die Pest. Die dortigen Gerichtssitzungen wurden daher durch den Landrat aufgehoben.

Bücherverbrennung

1541 wurden in Sitten evangelische Bücher öffentlich verbrannt.

Der Trinkelstierkrieg, ein Marsch Richtung Visp

Bereits 1544 herrschten im Wallis starke innenpolitische Unruhen. Man sprach von Neuerungen im Glauben, von Beschneidung der Volksrechte, von der Erhebung der Mazze.

Religion und Politik wurden vom Volk ebenso miteinander verbunden wie von seinen Führern. Weil die Vertreter der Kirche, an ihrer Spitze der Bischof, sich einer Politik verschrieben hatten, die dem Volkswillen nicht entsprach, mussten sie sich auch Vorwürfe gegen «Fleischverkäufer, Landesverräter und die grossen Hansen» gefallen lassen.

Der so lange verhaltene und zurückgedrängte Volksunwille brach 1550 im sogenannten Trinkelstierkrieg aus. Blut wurde dabei keines vergossen. Es handelt sich dabei um einen der Bauernkriege, wie sie als Folge oder Begleiterscheinung der Reformation an verschiedenen Orten ausgebrochen waren. Im Wallis war es den Behörden gelungen, diesen bis 1550 hinauszuschieben.

Religiöse und soziale Motive der Aufständischen

Der Trinkelstierkrieg war ein Bauernaufstand mit einem stark religiösen Unterton. Die gegen Bischof und Domherren ausgestossenen Drohungen waren Ausdruck der herrschenden Volksstimmung. Prädikanten, also ehrenamtliche Prediger, oder reformationsfreundliche Geistliche dürften einen Anteil an der Hetze und dem daraus entstandenen Aufstand gehabt haben. [Siehe auch Kapitel 08.09 «Beim Visper Trinkelstierkrieg blieb es bei Drohungen».]

Schon um 1528 hatte man im Walliser Landrat über einen inneren Zwist verhandelt und eine Reihe Artikeln erlassen, die neben dem religiösen Frieden auch eine Beruhigung der erregten Bauern anstrebten. Wie damals sah man auch diesmal das Übel in der mangelnden Pflichterfüllung der Geistlichen und in der Ungewissheit in Dingen des Glaubens, welche diese verschuldet hatten. Die drei Zenden Sitten, Visp und Raron schlugen dem Landrat unter anderem vor, eine Reform von Kirche und Klerus vorzunehmen.

Gegenwind für Reformierte

In den 50er-Jahren des 16. Jahrhunderts wurden – obwohl von den katholischen Orten in der Innerschweiz gefordert – im Wallis alle Versuche, gegen die Neugläubigen vorzugehen, im Keim erstickt. Die Politik führte die Leiter des Landes der Reformation zu, während das gemeine Volk – wenigstens in den oberen Zenden – fest am alten Glauben festhielt. Die Reformation war von der Landschaft von Anfang an als Unruhestifter und Störefried abgelehnt worden.

Die Zürcher und Basler konnten mit einer gewissen Zufriedenheit auf das Fortschreiten ihrer Sache im Wallis blicken, während dieses die katholischen Orte in der Innerschweiz mit steigender Besorgnis erfüllte und bei ihnen manchmal zu Überreaktionen führte.

Anlässlich einer Visitation in den Gemeinden wurde der Bischof zwar freundlich empfangen. Die Gemeinden aber verlangten von ihm die Bestrafung der Lutherischen «an lyb und läben». Falls er dies unterlasse, würden sie es selber tun. Alle Zenden versprachen bei dieser Gelegenheit beim alten Glauben zu bleiben.

Die Wirte eifrigste Apostel der neuen Lehre

Der Landrat vom August 1562 beschloss, in den einzelnen Gemeinden Prokuratoren einzusetzen, die über die Gegner des alten Glaubens wachen sollten. Während die oberen Zenden noch fest am Glauben festhielten, die unteren Zenden mit Visp und ein Teil von Brig von der neuen Lehre ergriffen seien. Offenbar waren die Wirte die eifrigsten Apostel der neuen Lehre. Auch in den Badeorten habe man immer wieder von Händeln zwischen Alt- und Neugläubigen gehört. Gerade von hier sei eine intensive Propaganda der Neugläubigen ausgegangen.

Zweimal Bischofskandidat

Im Visper Burgerarchiv gibt es einen Bischofskatalog mit 55 Bischöfen und den Kommentar dazu, erstellt 1576.

Daraus geht hervor, dass Domherr Peter Brantschen aus Zermatt, der auch Kaplan in Visp war, zweimal Kandidat für den Bischofssitz war. Gewählt wurde er nicht.

Edikt des Landrats gegen Bilderstürmerei

Die Übertretungen der Fastengebote, die Schmähungen der Mutter Gottes und der Sakramente und die Bilderstürmerei nahmen unaufhaltsam zu, sodass sich der Landrat gezwungen sah, 1562 seine Erlasse zu erneuern. Im Januar 1563 sollte der Landrat ein Edikt gegen Bilderstürmerei erlassen. Der Bischof wurde ersucht, seine Priester zu einem standesgemässen Leben anzuhalten. Offenbar mit wenig Erfolg.

Wegweisung von Zigeunern und Juden

1564 beschloss der Landrat, die Zigeuner, «dieses lasterlich, schadlich volk» auszuweisen. Andernfalls sollten sie mit einem Strick um den Hals am Galgen aufgeknüpft werden.

1571 gab es ein Judenverbot. Allen Behörden oberhalb und unterhalb der Morge wurde aufgetragen, Juden und Zigeuner aus dem Land fernzuhalten und sie sofort aus dem Land wegzuweisen, wenn sie irgendwo eindrängten. Das Landrecht zeugte von Hass gegen die Juden; es ist die Rede von einem «schadlichen Rott».

Oberwalliser Söldner eilten Lyoner Reformierten zu Hilfe

Hauptmann Heinrich In Albon, gewesener Konsul (Burgermeister) von Visp, ordnete am 10. März 1562 auf Pfingsten hin wegen der angeblich grossen Kriegsgefahr eine allgemeine Musterung der Truppen des Zenden Sitten an. Vom 14. Altersjahr an hatten alle in Wehr und Waffen zu erscheinen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass In Albon diese Musterung mit Blick auf die Anwerbung von Walliser Söldnern für die Franzosen anordnete.

Im Frühsommer 1562 verboten Bischof, Landeshauptmann und Landrat ihren Mitbürgern unter Androhung schwerer Strafen, bei der einen oder anderen Glaubenspartei Kriegsdienste zu leisten. Trotz der obrigkeitlichen Mandate warben Peter Ambühl aus Leuk und Heinrich In Albon aus Visp je ein «Fähnchen» Söldner – darunter auch streitwillige Visper –, die den Marsch nach Lyon antraten und unter General Soubise die Reformierten der Stadt Lyon gegen die Angriffe der Katholiken verteidigten.

Rom begrüsst Tod eines Reformierten-Anführers

Ende 1596 starb zu Leuk Peter Ambühl. Der Tod des Leuker Anführers der Reformierten wurde im Wallis von den Katholiken als grosse Erleichterung und Wohltat empfunden und begrüsst. Nuntius Giovanni della Torre konnte denn auch nach Rom berichten: «Aus dem Wallis meldet man den Tod des Pietro Ambühl, des Anführers der Protestanten und Tyrannen dieses Landes. Nun besteht Hoffnung, dass wir die Jugend aus den protestantischen Schulen zurückziehen können und dass der Bischof seine Pflicht erfüllen wird.»

Unerlaubter Fremdendienst

Wegen unerlaubtem Fremdendienst musste Hans Heinzmann 1502 im Grund in Visp abschwören. Er stammte aus der Familie, die in Visperterminen seit dem 15. Jahrhundert nachgewiesen ist.

Verfahren wegen Söldnerdiensten

Als dann ein Teil der Söldnerknechte aus Frankreich heimkehrte, wurde auf dem Landrat von Anfang November ein gerichtliches Verfahren gegen sie eingeleitet. Hauptmann In Albon hatte sich zu verantworten.

Trotz Verbots war er nämlich mit einem «Panner» ausgezogen und dazu nicht einmal in des Königs Dienst, sodass durch seinen Zug «die französische Vereinigung» verletzt worden war. Trotz all seiner Rechtfertigungen und Entschuldigungen ging In Albon nicht straffrei aus. Er wurde allerdings lediglich mit einer Busse von 280 Kronen bestraft.

Dieser sogenannte «Lyoner-Zug», der von den Fortschritten der Reformation im Wallis zeugte, wurde zwar von den Behörden in Sitten verurteilt. Doch es blieb wohl dabei, weil um diese Zeit die katholische und die reformierte Partei im Wallis fast das Gleichgewicht hatten.

Das Unternehmen «Lyoner-Zug», sollte anschliessend dennoch zu schweren Spannungen, zu wiederholten Eingriffen der katholischen Orte und zu lebhaften Vorwürfen des französischen Gesandten führen.

Der Söldnerdienst nach Frankreich blühte und brachte reichen Verdienst, vor allem für die Adeligen, welche jeweils Offiziersrang bekleideten. Er forderte aber immer zahlreichere Todesopfer, junge Walliser, die oft unfreiwillig, fern der Heimat im Dienst einer fremden Macht ihr Leben liessen.

Katholische Gegenbewegung

Am 8. April 1578 leistete Bischof Hildebrand von Riedmatten mit dem Domstift und allen sieben Zenden der Landschaft Wallis – also auch Visp – in Luzern den Bundesschwur mit den sieben katholischen Orten der Innerschweiz.

Diese Bundeserneuerungen waren jeweils mit grossen Festlichkeiten verbunden. So berichtete ein Schreiben vom Fest von 1578 in Luzern und stimmte ein überschwängliches Loblied auf das Wallis an, das man auf seiner Seite behalten wollte. Es rühmte die Ordnung und die Politik und lobpreiste die mutige Bevölkerung, die Schönheit des Landes und die einheimischen Ressourcen, unter anderem die warmen Bäder.

1586 schlossen sich die katholischen Orte zu einem Bund zusammen, der später Borromäischer Bund genannt wurde; dessen Ziel war eine Gegenreformation.

Von Luzern aus, dem Sitz des päpstlichen Nuntius, wurden eifrige Priester ins Wallis geschickt. Sie waren im Sinn der Rekatholisierung tätig und erzielten viele Erfolge. 1608 sollten auch Jesuiten kommen und im Goms eine Schule gründen.

Prominente Vertreter der Reformation

Zunächst sah es noch so aus, als ob sich die Evangelischen halten könnten. Der damalige Landeshauptmann Georg I. Michael Supersaxo von Naters gehörte ebenso zu ihnen wie Staatskanzler Gilg Jossen Bammatter. Fast alle Pfarrer der grösseren Gemeinden des Oberwallis hingen dem neuen Glauben an oder begünstigten ihn.

Auch der Pfarrer von Visp, Bartholomäus Venetz, und sein Sohn (!) Johann, Pfarrer von Leuk, huldigten dem neuen Evangelium.

Visper Haupt der Sittener Protestanten

Der Visper Anton Wyss studierte Medizin an den Universitäten Genf und Basel. Wohl in Genf von Calvin angetan, kam er als überzeugter und entschiedener Anhänger der Reformation nach Sitten zurück. Dort wurde er 1581 Burgermeister und vermochte eine ganze Reihe von Vertretern der führenden und angesehensten Bürger der neuen Lehre zuzuführen, sodass er als Haupt der Reformierten in Sitten galt.

Teilnahme am Reichstag zu teuer

Als Bischof Hildebrand von Riedmatten 1582 vom Kaiser dringend zur Teilnahme am Reichstag in Augsburg eingeladen wurde, lehnte der Landrat diese Teilnahme aus Kostengründen ab.

Dies ist begreiflich, wenn man bedenkt, dass 75 Jahre zuvor für die Ausrüstung von Kardinal Schiner für die gleiche Reise nicht weniger als 60 Pferde nötig gewesen waren.

Reliquien verscherbelt

1590 veräusserten die herrschenden Männer des Wallis um Geld das Schwert und die Hälfte der Reliquien des heiligen Mauritius, welche im berühmten Kloster aufbewahrt wurden.

In der unteren Kirche tagte 1604 der Walliser Landrat und beschloss das Ende der Reformation im Wallis.

© Thomas Andenmatten

Visp Tagungsort für Reformationsfragen

Am Donnerstag, 17. August 1592, fand in Visp der Ratstag des Parlaments der sieben Zenden statt. Warum Visp als Tagungsort gewählt wurde, ist im Protokoll nicht begründet. Es ist jedoch möglich, dass man beim Traktandum Religion der in Sitten verhältnismässig starken Gruppe der Protestanten ausweichen und eine direkte Konfrontation vermeiden wollte. Zwölf Jahre später sollte die Wahl nochmals auf Visp fallen.

Einberufen hatte den Ratstag Bischof Hildebrand von Riedmatten. Anwesend waren neben ihm Landeshauptmann Johann In Albon aus Visp und die Boten der sieben Zenden. Den Zenden Visp vertraten Kastlan und Hauptmann Hans Perren, Bannerherr Peter Andenmatten und die alt Kastlane Peter Niggolis und Hans Andenmatten sowie Niklaus Bynder, Meier in Gasen, und Hans Furrer, Meier in Zermatt. Bei den geistlichen Herren war Visp durch seinen Pfarrer Bartholomäus Venetz vertreten.

U.G.H. – Unser Gnädiger Herr –, wie der Landesbischof in den Protokollen immer wieder genannt wurde, brachte vor, dass in der Landschaft, in der Stadt Sitten und auch bei den Untertanen «nid der Mors» (Unterwallis) in Religions- und Glaubenssachen vor einiger Zeit Neuerungen eingeführt worden seien. Durch diese würden die uralten christlichen Satzungen und Bräuche der katholischen Kirche beseitigt und die heiligen Sakramente oder wenigstens ein Teil von ihnen missachtet und herabgewürdigt.

Deshalb habe er es wegen seines geistlichen Amtes und Auftrags nicht unterlassen können, einige der angesehensten Herren des Domkapitels von Sitten und diese grosse Zahl Ratsboten aus allen Zenden einzuberufen, «damit man nach wichtigkeit des handels hirob ripflich sich bedenken und beratschlagen könne». Dies um «künftigem unglick, übel, not, jamer und elend», die daraus entstehen könnten, zu entgehen. Auch damit sich nicht Zwietracht und Empörung im frommen Vaterland breitmache, wie dies in etlichen «kinigrichen und andren fürstentumben, stetten, landen und herschaften» bereits geschehen sei. Er bat deshalb alle Anwesenden inständig, mit ihm Mittel und Wege zu suchen, um dieser Sache rechtzeitig abzuhelfen und den Frieden, die Ruhe und Einigkeit im Vaterland erhalten zu können.

Da die Ratsboten nicht ausdrücklich bevollmächtigt waren, in dieser Angelegenheit zu entscheiden, ging man vorerst unverrichteter Dinge auseinander. Die Religionsartikel, die 1592 in Visp beschlossen wurden, blieben toter Buchstabe – dies aufgrund der allgemeinen Nachlässigkeit. Zudem war Staatskanzler Gilg Jossen-Bammatter ein Anhänger des Protestantismus.

Endspurt der Walliser Protestanten

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts boten die religiösen Zustände im Wallis ein klägliches Bild. Der Bischof besass keine Autorität. Von seiner fürstlichen Gewalt war wenig geblieben, sodass die Protestanten sich getrauten, offen von der Aufhebung des Bistums zu reden. Gilg Jossen-Bandmatter, das Haupt der reformierten Bewegung in Sitten, war 1601–1603 Landeshauptmann.

In Sitten wurde der Gottesdienst nur spärlich oder gar nicht mehr besucht. An hohen Festen, an denen man zwar noch in die Kirche ging, verzichteten die Männer darauf, ihr Haupt zu entblössen oder sie liefen beim Hochheben der Hostie demonstrativ davon. Für das Pfingstfest 1603 liessen die Sittener Protestanten einen Prädikanten kommen und mehr als 100 Personen empfingen feierlich das Abendmahl. Dieser Triumph des neuen Glaubens war indes nur scheinbar und forderte eine Reaktion. Der Umschwung von 1604 traf die Reformierten dann hart.

Die untere Kirche, die im März 1604 als Sitzungslokal des Landrats diente. Dieser Landrat entschied unter dem Vorsitz des Vispers Johann In Albon, der damals Landeshauptmann des Wallis war: Wer dem neuen Glauben der Reformierten weiterhin huldigen will, muss das Land innert kürzester Zeit für immer verlassen.

© Thomas Andenmatten

In der unteren Kirche verbannte der Landrat die Reformierten

Nachdem sich zeitweise Katholiken und Reformierte im Wallis fast die Waage gehalten hatten, drohte nach vielen Aufständen sogar Bürgerkrieg. Fast 80 Jahre lang hatten sich die beiden Konfessionen im Wallis bereits bekriegt. Bei all diesen Kämpfen ging es weniger um die Gläubigkeit des Volkes als um die Machtstellung einzelner Persönlichkeiten.

1603 kamen aber dem Bischof die katholischen Orte der Eidgenossenschaft und die oberen Walliser Zenden zu Hilfe; es bildeten sich Gegenkräfte gegen die Walliser Reformierten. In den oberen Zenden kam es zu Unruhen und Gewaltandrohungen gegen die Reformierten und gegen die drei unteren Zenden Leuk, Siders und Sitten, wo die meisten Reformierten lebten.

Vom 15. bis 17. März 1604 versammelte sich der Landrat zum historischen Landtag in der Liebfrauen-Kirche, der unteren Kirche von Visp. Er beschloss mit grosser Mehrheit, dass die katholische «Religion» die einzig zugelassene sei, dass nur Katholiken öffentliche Ämter anvertraut würden und nur Katholiken Schullehrer werden könnten. Die «unbelehrbaren Freunde» der Reformation hätten das Land innert drei Monaten zu verlassen, sofern sie nicht einverstanden seien und reformiert bleiben wollten.

Doch fand man schliesslich einen stillschweigenden Kompromiss, der es den Reformierten ermöglichte, weiter im Wallis zu leben. Nach der Wegweisung aller Protestanten aus dem Wallis nahm vorwiegend Bern die Interessen der Verbannten wahr und wandte sich 1629 an die sieben Zenden: wegen eines Bündnisses zur Duldung der Protestanten im Wallis.

Beide Glaubensparteien aus der übrigen Schweiz hatten an diesem Kampf lebhaft Anteil genommen, vor allem die Berner und Waadtländer, aber auch Basler im Westen, die Urkantone im Osten des Kantons. In der übrigen Schweiz hatten die Religionsparteien längst ihre Lager bezogen.

Entscheidend für den Erfolg der Reformation in der Schweiz war, so das Historische Lexikon der Schweiz, «die Überzeugungskraft der jeweiligen Prediger sowie der Druck, den die Befürworter der neuen Ideen auf die Obrigkeit auszuüben vermochten». Beides scheint im Wallis gefehlt zu haben, womit die Reformation nach jahrzehntelangem unentschiedenem Ringen dem alten Glauben unterlag.

Visper Domherr Sutoris

1577 starb Anton Sutoris aus Visp, der Domherr von Sitten und Pfarrer von Ernen, Raron und Sitten war. Die Sutoris kamen ursprünglich aus Oberhüsern.

Landesschule vorübergehend in Visp

Infolge Ausbruchs der Pest wurde die Landesschule 1572 von Sitten nach Visp verlegt.

Visper Pfarrer, des Bischofsamts «unwürdig»

Noch hatten die Neuerer im Land zahlreiche Anhänger, in Sitten und Leuk und, wie die Bischofskandidatur von Bartholomäus Venetz zeigt, auch in Visp. Viele Ämter lagen noch in ihren Händen und immer noch zogen Studierende aus dem Wallis nach Bern, Zürich und Basel an reformierte Universitäten.

Bei der Bischofswahl vom 27. Dezember 1604, die damals vom Walliser Landrat vorgenommen wurde, versuchten die Anhänger der Reformation vergeblich, Bartholomäus Venetz auf den bischöflichen Stuhl zu heben. Dieser war 1576 zum Pfarrer von Visp und drei Jahre später auch zum Domherrn ernannt worden.

Aber es heisst, weder der Lebenswandel noch die religiöse Gesinnung des Saasers hätten den Anforderungen der katholischen Kirche entsprochen. Die Neuerer unterlagen mit ihrem «unwürdigen Kandidaten, dem Pfarrer von Visp, Bartholomäus Venetz».

Statt Venetz wurde der eifrige und kluge Generalvikar Adrian II. von Riedmatten gewählt. Er arbeitete dann tatkräftig an der Behebung der Missbräuche unter den Geistlichen, sprach darüber im Landrat und trat für die Ausführung der Visper Beschlüsse ein. Er starb im Herbst 1613, ohne den endgültigen Sieg der katholischen Sache noch zu erleben.

Bei der Bildung hätte man beginnen müssen

Nach der Ausweisung der Reformierten im Jahr 1604 zog das Bistum seine Lehren; reichlich spät war es sich der eigenen Unzulänglichkeiten bewusst geworden.

Zunächst noch als bischöflicher Statthalter und Generalvikar ging Adrian II. von Riedmatten nach dem historischen Landrat von Visp mit geistlichen und weltlichen Räten ans Werk, den Diözesanklerus zu reformieren. Alt Landeshauptmann Gilg Jossen und Landschreiber Jakob Guntern enthob er all ihrer Ämter.

Unter Bischof Hildebrand Jost wurden 1626 in den Synodalstatuten Grundlagen für die katholische Reform im Wallis eingebaut, die eng mit der Schule zusammenhing. Die Statuten enthielten wesentliche Bestimmungen über die Volksbildung, auch jene der Mädchen. Es hiess darin unter anderem, der Besuch der Privatschulen solle häufiger sein als bisher. Es wurde verordnet, dass in grösseren Ortschaften die durchgängig zerfallenen Schulen wieder hergestellt oder neu eingerichtet wurden. Die Knaben und Mädchen sollten dort Lateinisch, Deutsch und Französisch lesen und schreiben lernen, wenigstens im Winter, wenn die ungebildete Jugend ihre Zeit mit müssigem Geschwätz und Spiel vertreibe.

Abgesehen von vereinzelten Privatschulen dürfte aber diesem Ziel nicht entsprochen worden sein; um eine Vorschrift handelte es sich nicht, obwohl sich der Landrat immer wieder mit Bildungsfragen beschäftigte. Dabei gilt es festzuhalten, dass sich Volksbildung zu dieser Zeit auf die einflussreichste und wohlhabendste Schicht des Landes beschränkte.

Bildungsarmer Zenden Visp

Am 3. Dezember 1576 wurden im Visper Zendenrat gravierende Mängel im Schulwesen festgestellt. Es gebe keine Schule im Zenden, keine in der deutschen Schrift erfahrene Leute.

Man beschloss daher einen Schulmeister kommen zu lassen. Angesichts des Mangels an Notaren und Geistlichen beschloss der Zenden Visp am gleichen Tag eine Zendenschule zu gründen. Von dieser hörte man später allerdings nichts mehr.

Zenegger kauften sich zuerst von Zehnten frei

1586 kaufte sich die Gemeinde Zeneggen für 650 Pfund den Zehnten frei von der Pfarrei Visp. Erst 1750 wurde mit Ernst daran gearbeitet, sich von Visp zu trennen und eine eigene Pfarrei zu errichten.

Zenden Visp wollte gregorianischen Kalender 68 Jahre früher einführen

Papst Gregor XIII. führte 1582 den nach ihm benannten gregorianischen Kalender ein, mit dem das Kalenderjahr und das Sonnenjahr synchronisiert wurden. Dabei ging es unter anderem darum, den bis dahin angewachsenen Fehler von 10 Tagen auszugleichen, indem man Schaltjahre einführte. Die meisten katholischen Länder führten den neuen Kalender 1585 ein.

Der Zenden Visp sah die Einführung schon 1587 vor, die übrigen Zenden des Oberwallis fast 70 Jahre später, wobei die unteren Zenden Leuk, Siders und Sitten der unvermeidlichen Neuerung am längsten widerstanden. Sie lebten also noch während Jahrzehnten mit einem Kalender, der sich von jenem der Nachbarn um 10 Tage unterschied. Die Walliser warteten mit der Einführung des gregorianischen Kalenders lange zu, denn das Volk hatte Angst, dass seine Wasser-Cheere, die Alpaufzüge, die Markttage, die Gmeiwärchi und die Burgertrücha in Unordnung geraten würden.

Vorteile des neuen Kalenders überzeugten noch nicht

Neben den entscheidenden Beschlüssen bezüglich der Religion im Land befasste sich der Visper Landrat vom März 1604 einmal mehr mit der Einführung des neuen Kalenders. Den Räten und Gemeinden sollte nochmals zu verstehen gegeben werden, welchen Nutzen und Vorteil die Annahme des neuen Kalenders mit sich bringen und welche Begeisterung dies bei den sieben katholischen Orten hervorrufen würde.

Man könne auch damit rechnen, dass bei Annahme der Papst einigen Studenten der Landschaft die Ausbildung finanzieren werde und dass der Handel mit Wein und anderen Lebensmitteln viel leichter werde. Man solle daher endlich zustimmen. Die Abgeordneten erklärten sich bereit, dieses Gesuch den Gemeinden zur Annahme zu empfehlen. Das sollte aber noch lange dauern.

Am 2. Juni 1604 richteten die sieben katholischen Orte ein Schreiben an Bischof und Landrat des Wallis über die Religionsgefahr und die Einführung des gregorianischen Kalenders. Erst im Jahr 1655 beschloss der Weihnachtslandrat, den gregorianischen Kalender einzuführen.

Noch später als die Walliser, um 1700, führten das evangelische Deutschland und die skandinavischen Länder den gregorianischen Kalender ein, Grossbritannien um 1752. Die orthodoxen Länder Ost- und Südeuropas behielten den alten Kalender sogar bis ins 20. Jahrhundert bei.

Nicht nur im Wallis, sondern in ganz Europa herrschte ein Datenchaos, das bestimmt negative Folgen für das politische und das wirtschaftliche Leben hatte.