Kapitel Nr.
Kapitel 08.08

Jodok Kalbermatter, mit Söldnerdiensten reich geworden

Der Visper Jodok oder Jost Kalbermatter wurde 1539 Landeshauptmann und bestimmte in den beiden folgenden Jahren die Geschicke des Wallis. In seiner Jugend war er in französischen Kriegsdiensten. Mit Kardinal Matthäus Schiner hatte er das Heu nicht auf derselben Bühne.

Grossvater wurde Visper Burger

Als die Burger von Visp Anton zen Kalbermatter 1489 ins Burgerrecht aufnahmen, konnten sie nicht ahnen, was für kraftstrotzende und unruhige Gesellen dieser ihnen bescheren würde. Er hinterliess einen Sohn Paul, diesem wurde Jodok Kalbermatter um 1490 als jüngster von vier Söhnen und der Tochter Anna geboren. Anton, wohl der älteste Sohn, wurde Grosskastlan von Visp und vermählte sich mit Katharina von Silenen, der letzten dieses erlauchten Hauses in Visp. Bei seinem Tod 1528 hinterliess er nur uneheliche Kinder. Theodul, der unruhigste und unzuverlässigste unter den Brüdern, war Grosskastlan von Martigny und Landvogt des Unterwallis. Er war zuerst ein eifriger Freund von Georg Supersaxo, des grossen Rivalen Schiners, aber mit seinen Anklagen führte er 1529 dessen Sturz herbei. Paul, der Geistlicher war und in Mund als Pfarrer wirkte, war ein erklärter Gegner seines Bischofs; er starb 1513.

Jodok bewachte den Bischof

Als 1510 die französisch gesinnten Oberwalliser das Bündnis mit den Franzosen mit Gewalt durchdrücken wollten und den Bischof Matthäus Schiner auf seinem Schloss in Naters bedrängten und geradezu belagerten, wurde der junge Jodok Kalbermatter als Wachtposten oberhalb des Schlosses aufgestellt, um ein allfälliges Entweichen Schiners zu verhindern.

Mit seinen Verwandten teilte Jodok deren Abneigung gegen Schiner; er war überhaupt in diesen Jahren ganz auf der Seite der Franzosen, sodass ihn – wie auch seine Brüder Anton und Theodul – 1519 der Bann von Papst Leo X. erreichte.

Wann Jodok Kalbermatter in französischen Kriegsdienst trat, ist nicht näher bekannt. Im März 1524 schrieb er aus Italien in die Heimat. Bei der Schlacht von Pavia vom 24. Februar 1525, die für die Franzosen mit einer furchtbaren Niederlage endete, war Kalbermatter an der Spitze der Walliser Truppen gestanden. Trotz diesem Fiasko hielten die Walliser weiterhin zu Frankreich.

Vom Söldnerdienst zur Politik

In die Heimat zurückgekehrt, wurde Jodok 1526 von den Regierenden des Wallis nach Lyon gesandt, um die französischen Pensionsgelder für die Söldner abzuholen. In gleicher Mission war er 1527 in Freiburg unterwegs, um die 1 500 Taler der rückständigen Pensionen aus dem Jahr 1524 abzuholen.

Am 23. April 1527, am Fest des heiligen Ritters Georg, vermählte er sich mit Anna Kalbermatter, Tochter des Johann, Grosskastlan von Sitten und Ering. Sie war die Schwester der späteren Landeshauptmänner Johannes und Anton Kalbermatter.

Ein Haus beim flachen Stein

Durch seine Kriegsdienste reich geworden, kaufte Jodok am 7. Januar 1528 vom Sittener Petermann de Platea um 600 Pfund ein Haus in Visp, gelegen beim flachen Stein (planum lapidem), sowie die Herrschaftsrechte der Familie de Platea in Zermatt. Als Mitherr dieser Talschaft liess er sich am 10. Mai 1528 in der Kirche von Zermatt von 19 Familien huldigen. Dabei bestätigte er ihnen ihre alten Freiheiten. Diese Herrschaft verblieb bis 1618 im Besitz seiner Nachfahren. 1529 war Jodok Kalbermatter Grosskastlan von Visp, worauf ihm der Landrat für die Jahre 1532 und 1533 die Verwaltung der Landvogtei Unterwallis übertrug. Als einflussreiche Persönlichkeit erschien der Landvogt Kalbermatter am 3. Oktober 1532 in Sitten zur Wahl des Peter Allet zum Domdekan von Sitten.

Bruder war unordentlicher Strassenbauer

Um diese Zeit – 1533/34 – starb sein Bruder Theodul, der damals im Auftrag der Walliser Regierung den Ausbau der Landstrasse übernommen hatte. Theodul hatte wegen seiner Unordentlichkeit und Unzuverlässigkeit all dies unvollendet und in Verwirrung zurückgelassen. Das Ungenügen seines Bruders verursachte Jodok grosse Unannehmlichkeiten und verfeindete ihn mit den Gegnern des Verstorbenen.

Er führte die Eroberung bis Thonon an

Als oberster Anführer der Walliser leitete Jodok 1536 die fast friedliche Besetzung von Monthey und des Chablais bis an die Dranse von Thonon. Daraufhin nahmen ihn die Sittener als Burger auf, was ihm und der Stadt zur Ehre gereichte. Jodok Kalbermatter wusste sich überhaupt dem Walliser Vaterland unentbehrlich zu machen. So wurde er am 3. August 1538 mit Petermann de Platea als ausserordentlicher Gesandter des Wallis zum König von Frankreich abgeordnet. 

Landeshauptmann mit Bischof verwandt

Ende 1539 wurde Kalbermatter Landeshauptmann des Wallis – ein Amt, das er reichlich verdient hatte. Aus seiner Regierungszeit – 1540 und 1541 – wurde nichts besonders Merkwürdiges berichtet.

Mit dem damaligen Bischof Adrian von Riedmatten, dem Onkel seiner Frau, scheint er sich gut verstanden zu haben. Als Schiedsrichter – mit Bischof Adrian – verurteilte er am 9. Dezember 1543 die Erben von Kardinal Schiner, dessen ehemaligem Generalvikar Grand 200 Pfund als Gehalt nachzuzahlen.

1549 führte der ehrenvolle Auftrag, namens des Landes Wallis das Bündnis mit dem neuen König Heinrich II. von Frankreich zu beschwören, Kalbermatter erneut, aber wohl das letzte Mal nach Frankreich. Im Dezember war er mit seinem Mitgesandten de Platea wieder in der Heimat.

Grosses Vermögen – dank Unterschlagung?

Im November 1551 starb Jodoks Schwager, der Landeshauptmann Johannes Kalbermatter «in der Kraft seiner Jahre». Wohl unter dem Eindruck dieses Todesfalls machte auch Jodok am 30. November sein Testament, wobei er fortfuhr, sich mit öffentlichen Geschäften und Angelegenheiten abzugeben. Sein grosses Vermögen und sein Ansehen hinderten seine Neider und Gegner nicht daran, ihn der Unterschlagung zu bezichtigen. Gegen diese obskuren Leute und Verleumder führte er im darauffolgenden Jahr Klage vor dem Landrat.

Am Dreikönigstag 1555 wurde in seinem Haus in Visp ein Landrat oder Ratstag abgehalten, wobei er – der Visper – den Zenden Sitten vertrat. Auch in den folgenden zwei Jahren erschien er wiederholt im Landrat.  Am 12. Februar 1558 trat er in Ernen auf, wo er für seinen Waffenbruder und Verwandten, Hauptmann Hans Syber, der im Affekt einen Totschlag begangen hatte, Fürbitte einlegte und für den Mörder um Verzeihung bat.

Am 23. April 1558 nahm Jodok Kalbermatter an einem Ratstag in Visp teil. Von da an fehlen Nachrichten über ihn. Sein Todesjahr wird mit 1558 oder 1559 angegeben; seine Gattin lebte damals noch.

Er hinterliess einen Sohn, ebenfalls mit Namen Jodok, der in Visp Bannerherr und in Saint-Maurice Landvogt war. Seine Tochter Anna vermählte sich mit dem «edlen» Nikolaus Wolff von Sitten. Schliesslich hinterliess er als Zeuginnen seines unsteten Lebens die zwei natürlichen Töchter Maria und Pernetta.

In Visp ist das Andenken Jodok Kalbermatters gänzlich verschwunden. Das elegante Haus, die Pflanzetta, die ihm einst gehört hatte, war entstellt und zur Mietwohnung herabgesunken. Nichts mehr erinnerte darin an den grossen Herrn, der Kalbermatter einst gewesen war.

Ein Geschlecht, das rasch verschwand

Den Helm Jodok Kalbermatters zierte ein Totengerippe, das eine Sanduhr, das Sinnbild der Vergänglichkeit, in die Höhe hält. Es war, als hätte diese Darstellung das vorzeitige schnelle Ende dieses Geschlechts angedeutet, denn kaum sechzig Jahre nach dem Tod des Landeshauptmanns war dieses aus den Reihen der Lebenden getilgt.