Kapitel Nr.
Kapitel 08.07

Der Grächner Gelehrte Thomas Platter begann als Schulmeister in Visp

Thomas Platter, humanistischer Gelehrter aus der Zeit der Reformation, wurde nach eigenen Angaben 1499 als Sohn eines einfachen Bauern in Grächen geboren. Nach langen Wanderjahren lebte er eine Zeit lang in Visp, wo er auf eigene Faust eine Privatschule führte. Dieser Aufenthalt ist in seinen Lebenserinnerungen beschrieben.

Geburtshaus von Thomas Platter «unweit Visp» (in Grächen) von Ludwig Hess, 1799.

Public domain image of 18th–19th century artwork from the National Gallery of Art, Washington

Mit 12 Jahren fahrender Schüler

Nach dem frühen Tod des Vaters gab die Mutter den siebenjährigen Thomas zu einem Bauern, wo er die Geissen und Schafe hütete, um so seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Thomas Platter bezeichnete seine Mutter als tapfere Frau, die drei ihrer Kinder, die an Pest gestorben seien, selbst beerdigt habe, weil die Beerdigung durch den Totengräber in Pestzeiten zu viel gekostet hätte. Als er etwa zwölf Jahre alt war, nahm ihn sein Vetter als fahrenden Schüler mit. Platter gelangte nach Deutschland, reiste bis Sachsen und Schlesien, wobei er betteln, singen und stehlen lernte, aber keine Wissenschaften.

Im Alter von etwa 18 Jahren, nachdem er im Elsass eine Schule besucht hatte, nahm ihn Mykonius in Zürich auf, wo er mit dem reformierten Glauben in Kontakt kam. Er begann seine ersten regulären Studien, wobei er an der Zürcher Fraumünsterschule unter den Erstklässlern sitzen musste, um lesen und schreiben zu lernen. Für seinen Lebensunterhalt heizte er morgens die Öfen der Schule. Einmal verheizte er eine Heiligenfigur, weil er sonst kein Holz fand. In kürzester Zeit lernte er Latein, Griechisch und Hebräisch. Auch das Seilerhandwerk erlernte er, und er wurde Arztgehilfe. Er traf Huldrych (Ulrich) Zwingli und trat zur Reformation über; als heimlicher Bote für Zwingli besuchte er die Badener Disputation.

Platter schrieb über diese Zeit: «Den Sonntag predigte Zwingli, zeigte, was für einen Frieden sie gemacht hatten; der werde bringen, dass sie über nicht gar lang die Händ‘ über dem Kopf zusammenschlügen, wie es denn auch beim zweiten Zug geschehen ist. Nachher blieb ich noch eine Weile in Zürich bei dem Herrn Mykonius und studierte.»

Er «weibete» vor seiner Heimkehr

Mit 20 heiratete Platter Anna Dietschi: «Da riet er mir, wie auch seine Frau, ich sollt‘ sein Anni, die Magd, weiben und nicht mehr umherfahren; so wollten sie uns zu Erben machen. Also liess ich mich bereden und gab uns Vater Mykonius zusammen. Ich war aber nicht bei Mykonius zu Herberg, sondern bei der alten Hutmacherin. Nach etlichen Tagen gingen wir in Dübendorf bei des Herrn Mykonius Schwager, der war da Prediger, zur Kirche und hielten Hochzeit mit solcher Pracht, dass Leute, die bei uns am Tisch waren, nicht wussten, dass eine Hochzeit war. Nach zwei Tagen ging ich heim ins Wallis, zeigte meinen Verwandten an, ich hätte geweibet; die waren übel zufrieden, denn sie hatten gehofft, ich werde ein Priester werden. Da nahm ich mir vor, das Seilerhandwerk zu treiben und daneben Schule zu halten.»

Thomas Platters Vater in Steffisburg begraben

Vom Vater des Thomas Platter weiss man, dass er 1499 – im Geburtsjahr des berühmten Grächners – an den Markt in Thun ging, um für seine Frau Wolle zum Spinnen einzukaufen. Damals herrschte die Pest im Land; Platter wurde von der Seuche befallen und starb daran. Er wurde auf dem Friedhof von Steffisburg begraben.

Visp in Platters Lebenserinnerungen

Nach langen Vagantenjahren kehrte Platter also mit seiner Frau ins heimatliche Wallis zurück – vorübergehend, wie sich herausstellen sollte. Im Herbst 1529 eröffnete er in Visp auf eigene Faust eine Privatschule, die sich eines mächtigen Zulaufs erfreute. Vermutlich war die Schule im Haus am Gräfinbiel untergebracht, das kurz zuvor der nachmalige Landeshauptmann Simon In Albon erbaut hatte. Zu In Albon pflegte Platter auch noch später immer wieder engen Kontakt.

Das Wirtshaus zu Sarnen

Die Reise des jungen Ehepaars nach Visp, die über die Innerschweiz führte, ist anschaulich und farbig in Thomas Platters «Lebenserinnerungen» festgehalten: «Von Luzern gingen wir gen Sarnen in Unterwalden. Wir kamen zu einem Wirt und einer Wirtin, die wurden beide so trunken, dass sie einander nicht mehr kannten und auf den Bänken in der Stube liegen blieben. Und wenn mein Weib und die Wirtin das Bett nicht vor dem Nachtmahl gerüstet hätten, hätten wir nicht gewusst, wo wir schlafen sollten, und war es noch dazu an einem Samstag. Der Wirt konnte die Laute schlagen und sang dazu mit grossem Geschrei, dass ich sagte: ‚Schreiet nicht so! man könnte uns ja strafen!‘ – ‚Nein, fürwahr‘, sprach der Wirt, ‚wenn‘s der Ammann zu Haus wüsste und wenn er schon zu Bett wäre, er würde auch wieder aufstehen.‘ Denn man geht zu Unterwalden oft gar nicht zu Bett, wenn man zum Wein kommt. Drum sagt man: ‚Wollen wir eine Unterwaldner Nacht halten?‘ Und wiewohl sie auf den Bänken lagen, so konnten sie am Morgen die Zeche gar wohl machen, dass ich und mein Weib alles zahlen mussten.

Von da gingen wir gen Hasli und zum Grimselberg. Da hatt‘ es schon geschneit und war doch vor Gallitag (16. Oktober). Da fing es meine Frau an zu bedünken, es wolle rauh zugehen; denn wir mussten gar rauh Brot essen. Es waren auch sonst Männer da, die wollten andern Tags auch über den Berg, sprachen zu mir: ‚Du wirst die Frau nicht über den Berg bringen.‘ Da hatte meine Frau gut leben, dass sie musst‘ im Stroh liegen, dessen sie nicht gewohnt war. Am Tag standen wir auf, und half uns Gott über den Berg, wiewohl ihr die Kleider am Leibe gefroren. So kamen wir nach Münster im Wallis, vier Meilen oberhalb Visp, wo wir hinwollten.»

Das Brigerbad gehörte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts dem späteren Landeshauptmann Peter Owlig, der es zur Blüte brachte. Thomas Platter, der dort 1532 eine Badekur machte, rühmte das heilende Wasser bei einem Besuch, den er in Begleitung des früheren Landeshauptmanns Simon In Albon aus Visp unternahm.

Teilansicht Brigerbad der Karte «Bryg und Naters» in der «Topographia Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae», herausgegeben von Matthäus Merian beziehungsweise seinen Erben, Frankfurt a. M., erstmals 1642

Trinkfeste Zürcherin in Brigerbad

«Da hatte es auch geschneit, und dieweil man hörte, dass wir von Zürich kamen, wurden wir nicht freundlich traktiert. Wir hatten eben noch für einen Tag Zehrung und einen dicken Pfennig. Kamen den nächsten Tag zum Brieger Bad. Da fand sie eine Landsmännin, und war der Wirt ein Züricher, der Scherer im Bad; die Züricherin war Meister Schweizers Tochter am Rennweg, der nachher Pannerherr wurde und zu Kappel umkam; sie war ihrem Vater entlaufen. Solcher Zürichermädchen hat man oft im Wallis gefunden; denn sie ziehen gern vom sauren Züricher zum guten Walliser Wein. Die tröstete meine Frau, es sei gut Volk im Wallis, es würd‘ ihr wohl ergehen.»

Ausstattung der Wohnung in Visp

«Vom Bad gingen wir einen gar hohen Berg hinauf nach Burg zu meiner Schwester Christine, die hatte einen Mann und neun Kinder. Hatte der Mann zwei Basen, die waren so alt, dass sie es selbst nicht wussten, auch sonst niemand. Bei ihnen blieben wir bis auf Gallitag. Da hatt‘ ich etwas wenigs Plunder geerbt, das hatte mir die Schwester aufbewahrt, und lieh mir einen Esel; damit führt‘ ich es gen Visp in ein Haus, wofür ich nichts zu geben brauchte; es war ein Bett darin, das brauchte man nicht und lieh es uns auch umsonst.»

«Es war fast das hübscheste Haus im Dorf, mit hübschen Scheibenfenstern. Da fing‘s an uns wohl zu gehn.»  

Grosser Zulauf für Thomas Platters Schule in Visp

«Da fing ich an, das Seilerwerkzeug zuzurüsten und Schule zu halten. Bekam 30 Schüler im Winter, im Sommer kaum sechs. Gab einer mir zu Fronfasten einen dicken Pfennig. Ich hatte dabei eine gute Sach‘, denn man schenkte uns viel. Ich hatte viel Basen, eine brachte mir Eier, die andere Käs, die dritte ein Bällchen Anken; desgleichen auch andre, deren Kinder zu mir in die Schule gingen, brachten etwas derart, etliche ein Viertel von einem Schaf; die im Dorf daheim waren, gaben Milch, Kraut, Kannen mit Wein usw., dass selten ein Tag hinging, an dem uns nichts geschenkt wurde. Wir haben manchmal nachts ausgerechnet, dass uns den Tag über acht- bis neunerlei war geschenkt worden.»

72 Basen, die auf einen Priester hofften

«Wenig Wochen vorher, eh‘ ich mit meinem Weib kam, waren im Eistertal Weiber in einer Stube meiner eingedenk gewesen und hatten gesagt, wie eine herrliche erste Messe ich haben und wie grosse Opfer man mir herbringen werde; denn allein von der Mutter Verwandten, den Summermattern, würden 72 Basen sein, deren noch keine einen Mann hatte und jede selber das Opfer zum Altar tragen möchte. Die vernahmen da, dass ich mit einem Weib gekommen war.»

Wein- und Obsthandel als Nebenerwerb

«Als wir anfingen zu haushalten, entlehnt‘ ich von meinem Oheim Antoni Summermatter 30 Groschen, das ist 15 Schweizer Batzen. Damit fingen wir an, kauften Wein ein, verkauften ihn nach der Mass, kauften auch Äpfel, die verkaufte mein Weib den Buben, welche wollten. Es ging uns nun gar wohl; wir erhielten mit braver Leute Hilfe so viel, dass wir keinen Mangel hatten, und war mein Weib gern da.»

Der Grächner Humanist Thomas Platter war einer der ersten Walliser, die zum neuen Glauben übertraten. In Visp führte er während kurzer Zeit eine Schule. Versuche, ihm die Leitung der Walliser Landesschule zu übergeben, scheiterten. Später wirkte er in Basel. Hans Bock der Ältere, Bildnis des Rektors Thomas Platter, 1581, Öl auf Leinwand, 60 mal 44.5 Zentimeter, Öffentliche Kunstsammlung Basel, Kunstmuseum (Inv. 83).

© Öffentliche Kunstsammlung Basel, Martin Bühler

Ein Reformierter im Gewissenskonflikt

Die Reformation hatte Platter geprägt; im Wallis geriet er in einen Konflikt: «Die geistlichen Herren aber wollten mir nicht alle wohl, ob sie gleich mir auch Gutes taten und mich oft zu Gast luden, auf dass ich mich der Lutherei nicht zu viel annähme.»

«Als ich aber in die Kirche gehen musste, um Messe singen zu helfen, fiel es mir schwer, wider mein Gewissen dabei zu sein und nicht frei allzeit reden zu dürfen, wie es mir ums Herz war. Gedachte, wie ich es anfagen sollt‘, dass ich wieder davon käme. Ging hinaus nach Zürich, um mit dem Vater Mykonius zu beraten. Der riet mir, ich sollte herauskommen, denn ich hatte auch etwas Hoffnung auf Basel.»

Wenn also Platter Visp und das Wallis nach neunmonatigem Aufenthalt verliess, so deshalb, weil er seine Überzeugung hier nicht frei vertreten und nach ihr leben konnte.

Überquerung der Grimsel bei Kälteeinbruch

«Als ich wieder heimzog, hatt‘ ich meiner Schüler einen bei mir, der konnte mir auf dem Grimselberg nicht wohl folgen. Es fing an zu schneien und zu regnen, war recht kalt, dass wenig gefehlt hätte, wir wären beide erfroren; doch dieweil ich der Berge Art kannte, sagt‘ ich zu dem Knaben, er sollte sich nur nicht setzen, sondern immer vorwärts gehn. Ich lief ein Stück weit voran, dass ich mich erwärmte, und lief dann wieder zurück zu dem Knaben, bis wir also mit Gottes Hilfe zu dem Hospiz kamen, das ist ein Wirtshaus auf dem Berg; da findet man gutes Essen und Trinken. Dieses war vor Mitte August. Einmal bin ich auch über denselben Berg gegangen; da ich allein war und noch der Berge Art nicht kannte, ward ich matt und müde, setzte mich nieder und wollte ruhen. Da ward mir seltsam ums Herz, es kam mich eine liebliche Wärme an, und ich entschlief, die Arme auf die Knie gelegt. Da kam ein Mann zu mir, der legte mir auf jede Achsel eine Hand, erweckte mich und sprach: ‚Ei, was sitzest du da? Steh‘ auf und geh‘!‘ Wo der Mann da hingekommen, weiss ich nicht; mocht‘ weit auf- und abwärts schauen, ich sah niemand mehr. Da stand ich auf, nahm aus meinem Säcklein ein Stück Brot und ass.»

Dem Erfrierungstod entkommen

«Da ich nun das etlichen Leuten sagte, die sich auf Bergsachen verstanden, sagten sie, ich sei so gut wie tot gewesen; denn wenn es einen gar übel friere auf den Bergen und er sich aus Mattigkeit setze, so erwarme er; das Blut, das beim Herzen war, als ihn fror, laufe von diesem in das Antlitz und die äussern Glieder, dann aber, wenn man sich setze, laufe es vom Herzen und sterbe der Mensch. Ich kann nicht anders denken, als Gott habe mich damals am Leben erhalten, wie auch die Leute zu mir sagten; denn kein leichterer Tod ist als erfrieren. Daher man manchmal die Leute auf den Bergen sitzen findet, als wenn sie schliefen, und sie sind tot. Darum sie auch, wenn sie etwa einmal auf den Bergen übernachten und diese Gefahr kennen, einander bei den Händen nehmen und die ganze Nacht, ob es schon finster ist, in einem Ring herumgehen, bis es wieder Tag ist.»

Zu Hause wartete die Pest

«Als ich heimkam zu meiner Frau, war sie froh, denn den Kirchherrn hatte die Pestilenz ergriffen. Dem bewies man solche Unfreundlichkeit, dass nicht mehr denn ein junger Gesell bei ihm war und sich sonst niemand seiner annahm. Drum war sie in Sorgen, wie es ihr ergehen würde, wenn sie krank würde. Ich hatte das auch wohl vor einigen Jahren erfahren; denn wie ich noch zu Zürich in die Schule ging, war eine so grausame Pestilenz da, dass man beim grossen Münster in eine Grube 900 Menschen legte und in eine andere 700. Damals zog ich mit andern Landsleuten heim; ich hatt‘ eine Beule an einem Bein und dachte, es wär‘ auch die Pestilenz. Da wollte man uns kaum irgendwo einlassen. Ich ging nach Grenchen zu meiner Base Fransy, da entschlief ich von Galgentran (ist ein kleines Dörflein unten am Berg) bis Grenchen in einem halben Tag 18-mal. Da band mir die Base Kabisblätter auf, ich ward gesund mit der Hilfe Gottes, und es geschah niemand mehr etwas; aber weder ich noch meine Base durften in sechs Wochen zu einem Menschen kommen. Ich bin auch in einer Pestilenzzeit in Zürich gewesen, als ich bei Doktor Rudolf Gwalthers Mutter zur Herberg war, welche mich, da sie nicht genug Betten hatte, zu zwei kleinen Kindern legen musste; die stiess beide die Pestilenz an, sie starben bei mir, und geschah mir auch nichts.»

Platter wollte beim «Götzendienst» nicht mitwirken

1528 beschloss der Landrat, in Sitten eine Landesschule zu gründen, wo die jungen Walliser ihre Grundbildung erwerben konnten. Die Verantwortlichen versuchten Thomas Platter zum Schulmeister zu ernennen  – vergeblich. Nachdem Platter davon Kenntnis genommen hatte, dass der Schulmeister helfen musste, mit seinen Chorknaben den Gottesdienst zu gestalten, lehnte er ab. Er ertrug den «Götzendienst» nicht mehr, war er doch in Zürich mit der Reformation in Kontakt gekommen.

Textilproduktion zu Platters Zeiten

Thomas Platter beschrieb die Herstellung von Kleidungsstücken folgendermassen: «Dan wie im land der bruch ist, das vast alle wiber wäben wie ouch näien können, gand die man vor dem winter uss dem land (vast in Berner biet), wullen zuo kouffen; die spinnent den die wiber und machend landdouch druss zuo röken und hosen dem purss volk.»

Er wollte nicht Walliser Schulmeister werden

«Und wiewohl meine Frau gern im Wallis war, woll‘ ich bald wieder weggehen. Doch genas sie vorher zu Visp ihres ersten Kindes; das ward getauft und Margretlein geheissen. Hernach, da ich nun Sinnes war, aus dem Lande zu ziehen, und das der Bischof, Herr Adrian von der Riedmatten, vernahm, schickt‘ er seinen Vetter, Johannes Riedmatter, zu mir nach Visp, ich solle zu ihm nach Sitten kommen. Er begehrte von mir, ich solle des ganzen Landes Schulmeister werden, man würde mir eine gute Besoldung geben. Ich dankte seiner Gnaden und bat um Urlaub für einige Jahre, ich sei noch jung und ungelehrt und wollt‘ gern noch mehr studieren. Da drohte er mir mit dem Finger und sprach: ‚Platter, Platter, du wärest alt und gelehrt genug; es liegt dir anderes im Sinn; doch wenn wir dich zu künftigen Würden berufen, wirst du doch mehr deinem Vaterland als Fremden dienen wollen.‘»

Das Ende der Visper Privatschule

«Darnach nahm ich mein Kind mit der Wiege auf einem Räf auf den Rücken und zog davon. Und die eine Patin gab dem Kindlein zum Abschied einen doppelten Dukaten. Wir zogen miteinander davon, hatten bei 12 oder 14 Goldstücke bekommen und etwas weniges Hausrat, und ein Kind; das trug ich, und zog die Mutter hinten nach, wie eine Kuh hinter dem Kälblein.»

Mit der Abreise Platters verlor Visp seine Schule, wie es scheint, für einige Zeit. Aber auch die Eröffnung einer Landesschule in Sitten war mit der Absage Platters in weite Ferne gerückt.

Drei Jahre später dachte der Landrat wieder an Platter: Wie dieser berichtete, hatte ihm der Visper Simon In Albon erneut die Landesschule angeboten, dies gemäss Beschluss des Weihnachtslandrats. Er soll ihn dringend gebeten haben, die Stelle zu übernehmen.

Verpasste Anstellung im Wallis wegen Verleumdung

Platter war zu jenem Zeitpunkt an einer Reise ins Wallis verhindert, da er seinen Geschäftsfreund Herwegen in dessen Abwesenheit in der gemeinsamen Druckerei vertreten musste.

Da bewarb sich Platters Basler Kollege Christian Herbort um den Posten. Um Platters Verpflichtung von vornherein auszuschliessen, stellte Herbort ihn als lutherisch hin und behauptete, Platter wolle gar nicht ins Wallis kommen – obwohl dieser zur Übernahme der Stelle bereit gewesen wäre. Sobald er sich in Basel freimachen konnte, reiste Platter in seine Heimat zurück. In Albon soll aber über sein verspätetes Eintreffen und über die Anstellung Herborts erzürnt gewesen sein. Herbort war hauptsächlich von der Geistlichkeit gestützt worden, welche inzwischen kaum mehr Vertrauen in Platter hatte.

Platters Aussprache mit dem Bischof verlief ergebnislos. Bitter bemerkte er, der Bischof habe Herbort mehr geglaubt als ihm, da ihm Platter schon früher im Glauben verdächtig erschienen sei. Landeshauptmann Anton Venetz und einige Domherren, die bei der Unterredung zugegen waren, wollten Herbort wieder entlassen und Platter anstellen. Dieser verzichtete nun aber endgültig. Hätte Platter daran festgehalten, im Wallis Schulmeister zu werden, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, Herbort zu verdrängen. Aber er dürfte gespürt haben, dass er dort immer noch auf starken Widerstand gestossen wäre.

Im Herbst 1534, also nach sechsjährigen Bemühungen, konnte die Landesschule endlich eröffnet werden – mit Herbort als Leiter. Er soll Platter des Fleischessens und auch anderer Ketzerei bezichtigt haben; dabei schien er die eigene Schmauserei mit Platter bei einem guten Braten in den vergangenen Fastenzeiten vergessen zu haben.

1564 kündigten die Boten von Visp ihren Beitrag an die Sittener Landesschule.

1572, als die Landesschule in Sitten wegen der Pest geschlossen und nach Visp verlegt wurde, verweigerte Brig den Beitrag an diese, da es einen eigenen Schulmeister hatte.

Rektor einer Lateinschule in Basel

In Basel, wohin Thomas Platter 1531 zog, wurde er Korrektor und Buchdrucker und schliesslich Rektor der Lateinschule «Auf Burg»; er hatte dort zunächst als Griechischlehrer gewirkt.

Thomas Platter behielt Kontakt zu seiner Heimat. Nach seinem Weggang lag die Schule im Wallis darnieder. Deshalb schickten die vornehmen Familien ihre Kinder zu ihm nach Basel, damit er sie dort ausbildete. Zeitweise unterhielt und ernährte Platter in seinem Haus, das eine Art Pension war, bis zu 35 Walliser Schüler. 1538 berichtete Platter dem Zürcher Reformator Bullinger, er habe 15 Studenten aus dem Wallis, weitere würden folgen. Auch Bern und Zürich stellten Stipendien für Walliser Schüler zur Verfügung.

Mit den jungen Menschen gelangten evangelische Gedanken ins Wallis. Platter gewann auf diese Weise indirekt Einfluss auf die Landesschule im Wallis, die ein heimliches evangelisches Zentrum wurde.

Auch Simon In Albon las Zwinglis neueste Bücher. Zwingli trug sich mit dem Gedanken, ihm zu schreiben, nachdem ihm ein Gesinnungsgenosse mitgeteilt hatte, es gebe viele Walliser, die nach den neuen Gedanken lebten.

Thomas Platter starb 1582 in Basel, nachdem er 1572 nochmals geheiratet und eine Lebensbeschreibung für seinen Sohn Felix verfasst hatte.

Walliser an Basler Universität

Die Eröffnung der Landesschule vermochte die Abwanderung an fremde Schulen nicht zu hemmen. Aufgrund des Einflusses Platters setzte 1535 erneut der Besuch der Universität Basel ein, sodass sich der Walliser Landrat gezwungen sah, dagegen einzuschreiten. Die in Basel studierenden Walliser waren wohl teilweise Kostgänger in Platters Pension, wo sie auch seine Schule besuchten, die eine Vorbereitung auf die Universität bot.

In den 120 Jahren zwischen 1534 und 1654 traf man in Basel 120 immatrikulierte Walliser Studenten. Von diesen kamen vier aus Visp.

Der Mangel an Schulen, die sich den reformierten ebenbürtig an die Seite stellen konnten, machte sich bei den Wallisern und bei den anderen katholischen Ortschaften immer drückender bemerkbar.

Bischof überwies Platter Geld

Als Thomas Platter 1563 in Leukerbad weilte, sandte ihm Bischof Jordan durch seinen Schlossknecht 20 Kronen. Das war ungefähr die Summe, welche der Bischof jährlich aus seinen «Gefällen und Tellen» im Zenden Visp bezog.