Autofreie Bahnhofstrasse und Burgschaft machten Visp freundlicher
Das Unterfangen, die Bahnhofstrasse auf ihrer ganzen Länge bis zum Paradegebäude Burlet autofrei und damit fussgänger-, kinder- und auch familienfreundlicher zu gestalten, ist auf eine private Initiative zurückzuführen. Die Massnahme wurde Ende der 80er-Jahre getroffen. Bis die Bahnhofstrasse auf ihrer ganzen Länge autofrei war, brauchte es zwei Etappen.
Jahre zuvor hatten die Visper Stimmberechtigten sogar in einer Konsultativabstimmung an der Urne zu einer autofreien oberen Burgschaft Stellung nehmen können. Es gab einen ablehnenden Entscheid mit einer hauchdünnen Mehrheit. Spätere Versuche stiessen dann bei den betroffenen Geschäften auf wenig Gegenliebe.

Ein ungewohntes Bild: die untere Bahnhofstrasse, als sie noch nicht autofrei war. Auf der einstigen Fahrbahn stehen heute Bäume, ein Bücherschrank, Tische, Stühle und Sonnenschirme der Gastbetriebe; es wird Kaffee getrunken, flaniert und Eis gegessen.
Foto aus dem Fundus der ehemaligen Druckerei Mengis
Kaufplatz auch tagsüber autofrei
Zunächst beschloss der Gemeinderat 1983, für den Kaufplatz ein ganztägiges generelles Fahrverbot einzuführen, nachdem dieses bisher lediglich von 20 Uhr bis 5 Uhr morgens gegolten hatte. Der Güterumschlag sollte von 5 bis 19 Uhr gestattet sein.
Dieser Beschluss erfolgte, nachdem der Platz im Vorjahr aufgrund der gemachten Erfahrungen und nach Aussprache mit den Anliegern, Geschäftsleuten und Privatpersonen umgestaltet worden war.
165 Parkplätze «auf der Müra»
1980 beschlossen die Visperinnen und Visper in einer Gemeindeabstimmung, «auf der Mauer», auf und unter dem Areal des Marktplatzes, eine Parkanlage mit 165 Parkplätzen zu errichten.
Dies geschah, weil der Motorisierungsgrad in der Region und besonders in der Ortschaft Visp ständig im Zunehmen begriffen war.
Bei budgetierten Baukosten von einer Million Franken ergab dies pro Parkplatz Kosten von rund 6 000 Franken.
Migros Visp florierte
1981 erzielte die Migros in Visp mit 30 Mitarbeitenden einen Umsatz von 12 Millionen Franken. 1990 setzte sie mit 75 Mitarbeitenden 32 Millionen Franken um.
Innerorts Tempo 50
Ab Neujahr 1984 galt auch in Visp innerorts generell Tempo 50.
Visper Geschäftsleute ergriffen Initiative
1986 tauchte dann erstmals die Idee der Befreiung der unteren Bahnhofstrasse von Autos auf. Burgerrat Louis Studer, der zusammen mit seinem Bruder Meinrad ein Elektrogeschäft an dieser Strasse betrieb, ergriff die Initiative dazu und vermochte sämtliche Geschäfte und Angrenzer für diese Idee zu begeistern. Der Gemeinderat wurde mit einem schriftlichen Begehren mit allen Unterschriften der «Strasse» konfrontiert. Im Rathaus nahm man den Gedanken sofort auf und machte sich an die Realisierung. Die Arbeiten wurden termingerecht fertig. Am Freitag, 17. Juli 1987 konnte die offizielle Eröffnung stattfinden.

Die autofreie untere Bahnhofstrasse wurde dem Betrieb übergeben. Offiziell geschah dies durch den Repräsentanten des Erbauers, Gemeindepräsident Peter Bloetzer, der das symbolische Band durchschnitt, was vom Vertreter der Geschäfte an der Bahnhofstrasse, Sepp Kuonen, zukunftsfroh begutachtet wurde. Initiant der autofreien Burgschaft war Burgermeister Louis Studer.
© Josef Salzmann
Verkehrsfreie Einkaufszone mit Cafés
Was die Kärntnerstrasse für Wien oder die Bahnhofstrasse für Zürich sind, war ab 1987 – ungleich kleiner – die untere Bahnhofstrasse für Visp: eine verkehrsfreie Einkaufszone, die durch ihre Neugestaltung zum Verweilen einlud. Aus der Strasse war ein grosser, gestalteter Platz geworden, mit einer neuen Pflästerung, mit Blumenbecken, mit neu eingepflanzten Bäumen, mit einer nostalgischen Strassenbeleuchtung, mit Litfasssäulen und Fahnenstangen.
Kauflustige und Rast-Suchende konnten die Strasse nach Herzenslust queren, ohne Angst vor plötzlich auftauchenden Motorfahrzeugen, ohne lästigen Benzingestank. Sie konnten Besorgungen nachgehen, flanieren oder sich auf den Stühlen der neuen Strassencafés niederlassen.
Die autofreie Bahnhofstrasse dürfte die Solidarität unter den örtlichen Geschäftsinhabern gestärkt haben. Dokumentiert wurde diese Einigkeit am Eröffnungstag mit einem grossen Volksfest mit Gratisbier und Würstchen, mit Risotto und Goron, mit Gebäck, Luftballons für die Kinder, Orgelspiel, Brotbacken in einem Holzofen mitten auf der neuen Bahnhofstrasse, mit Blasmusik, Trommeln, Pfeifen, Alphornblasen, Fahnenschwingen und gleich zwei Unterhaltungsorchestern – dies für eine begeisterte Festgesellschaft aus Visp, aber auch aus nah und fern, bis weit in die Nacht hinein. Zu essen und zu trinken gab es in einer Menge und Vielfalt, die ihresgleichen suchte. Es war ein gelungenes Fest an diesem 17. Juli 1987. Viel Volk, Einheimische, Leute aus den Nachbargemeinden und auch viele Feriengäste waren der grosszügigen Einladung der Geschäfte an der Bahnhofstrasse gefolgt.
So hatte die Stimmung bereits ihren Höhepunkt erreicht, als Initiant und Burgerrat Louis Studer und Gemeindepräsident Peter Bloetzer ihrer Freude über das gelungene Werk Ausdruck gaben und die musikalischen Vereine das Geschehen umrahmten. Initianten, Behörden, Geschäftsleute und das Publikum waren sich einig: Hier hatten die Visper einen Markstein gesetzt, der das Wirtschaftliche im Industriestädtchen positiv beeinflussen konnte. Die Erfahrungen der ersten Wochen bestätigten dies.
Für die beachtlichen Kosten des Anlasses kamen einzig und allein die Geschäfte auf. Sie hatten damit einen wesentlichen Beitrag zu einem attraktiveren Visp geleistet.
Gemüsemarkt – unglücklicher Vorgänger des Pürumärts
Die IG autofreie Bahnhofstrasse lancierte im Herbst 1987, drei Monate nach der Eröffnung der unteren Bahnhofstrasse, den Visper Gemüsemarkt. Es handelt sich um einen Vorgänger des «Pürumärt», den es erst ab 1999 gab. Am Samstagvormittag erhielt die Bevölkerung Gelegenheit, Marktatmosphäre zu geniessen und Frischprodukte zum Teil direkt vom Produzenten zu erstehen: Obst, Eier, Käse, Milchprodukte und Fleischwaren, Brot, Backwaren, Blumen und so weiter.
Der Start gestaltete sich verheissungsvoll. Bei strahlendem Sonnenschein fanden sich Visperinnen und Visper in grosser Zahl in der Fussgängerzone ein, sodass auch die dortigen Gartenwirtschaften Hochbetrieb hatten.
Aber bereits am zweiten Samstag erlitten die Hoffnungen der Initianten einen schweren Dämpfer. Eine unerwartet tiefe Herbsttemperatur und ein andauernder sturmartiger Wind vertrieben nicht nur die Besucher, sondern verhinderten auch jegliche Markttätigkeit, denn die Stände wurden zum Teil regelrecht fortgetragen. Da die Kälte auch an den folgenden Wochenenden anhielt, verloren immer mehr Anbieter und lokale Geschäfte den Mut. Die Marktatmosphäre schwand und die unerlässliche Kundschaft blieb immer mehr aus. Schweren Herzens musste man den siebenwöchigen Probelauf abbrechen. Zum Durchhalten fehlte ganz einfach das Geld. Die Geschäfte, die den Markt durchführten, mussten nämlich ohne einen Zuschuss der öffentlichen Hand auskommen. Die Gemeinde um einen Beitrag anzugehen, war damals noch kein Thema.
Obere Bahnhofstrasse wurde erst später autofrei
Fünf Jahre nach der unteren Bahnhofstrasse, 1992, wurde auch die obere Bahnhofstrasse zusammen mit dem Kaufplatz von Autos befreit und fussgängerfreundlich gestaltet. Der westliche Teil des Kaufplatzes hatte 1991 ein neues Gesicht erhalten und war mit einem Brunnen versehen worden. Der Aufwand betrug fast zwei Millionen Franken. Der Brunnenaufbau ist Ausgangspunkt einer Lichtschlange, die das Wasser repräsentiert und bis zur Kantonsstrasse führt.
Häuserschmuck erwünscht
1993 rief der Gemeinderat die Bevölkerung auf, auch privat vermehrt Häuser, Gärten oder andere private Plätze mit Blumen und Sträuchern zu schmücken.
Versuch mit wöchentlichem Abendverkauf
Am 17. September 1994 starteten in Visp über 50 Verkaufsgeschäfte versuchsweise jeweils am Freitag bis 21 Uhr einen wöchentlichen Abendverkauf. Der Versuch war bis Weihnachten befristet. Damit dürfte Visp die erste der grösseren Walliser Gemeinden gewesen sein, die einen solchen Versuch von einer derart langen Dauer unternommen hatte.
Die Geschäfte fanden aber bald, der Donnerstag würde sich besser dafür eignen als der Freitag. Zudem waren sie nicht bereit, bis 21 Uhr offen zu halten. Für kurze Zeit beschränkte man sich nun auf eine Öffnungszeit bis 20 Uhr. Auch das war zu viel und so nahte bald das Ende des Versuchs, der etwas mehr Geduld verdient hätte.
Mit Ausnahme der Grossflächengeschäfte, die diese zusätzliche Verkaufsmöglichkeit unvermindert beibehielten, verzichteten die einheimischen Geschäfte auf eine Fortsetzung der Aktion, was viele bedauerten.

Im September 1999, ein halbes Jahr nach der Eröffnung des Visper «Pürumärts», sponserte die Burgerschaft Visp eine Drehorgel zur musikalischen Unterhaltung auf dem Markt. V. l. n. r. Armand Zenklusen, Präsident des Verkehrsvereins, Jean-Pierre Bringhen, Präsident des Gewerbevereins, René Imoberdorf, Vizepräsident der Gemeinde, Peter Föhn an der Drehorgel, Bernadette Andrey, zuständig für den Markt, Peter Salzmann, Direktor La Poste und Tourismus, Leiter Ortsmarketing, Peter Imboden, Präsident des Vereins «Iischers Visp» und Niklaus Furger, Gemeinderat, zuständig für Ortsmarketing.
© Ortsmarketing Visp
Wollte, brauchte Visp ein Einkaufszentrum?
Anfangs der 90er-Jahre beschäftigte Visp die Bewilligung eines Einkaufszentrums, eines Grossflächengeschäfts. Gleich mehrere Projekte standen zur Diskussion. Diese wären in der Wehreye, in der Pomona, in den Weidlösern oder in der Riti zu stehen gekommen.
Der Gemeinderat war aufgerufen, eine Vormeinung zu einem Entscheid abzugeben, der für Visp von grosser Tragweite war und daher begreiflicher- und richtigerweise schwerfiel.
Die Wirtschaftskommission war eher der Meinung, dass die zur Diskussion stehenden Zentren aufgrund des Richtplans nicht bewilligt werden konnten. Zudem wurde auch eine Schwächung der bestehenden Geschäfte im Zentrum des Orts befürchtet. Volkswirtschaftlich versprach man sich für Visp nicht allzu grosse Vorteile von einem Einkaufszentrum an der Peripherie.
Um die Einkäufe von Oberwallisern im Mittelwallis zu stoppen bzw. aufzufangen, mussten diese Grossflächen auf jeden Fall grosszügig und attraktiv konzipiert sein. Die Planungskommission hingegen stand der Realisierung eines Einkaufszentrums in der Grössenordnung von bis zu 5 000 Quadratmetern eher positiv gegenüber. Einige Fragen erheischten eine Antwort: Könnten solche Einkaufszentren aufgrund der geltenden Gesetzgebung überhaupt bewilligt werden? Welche Bedeutung hatte ein solches Zentrum für Visp, welche Konsequenzen für die Geschäfte im Ortsinnern? Würden sich die unterbreiteten Standorte dafür eignen oder wären andere Standorte in Visp realistischer? Wäre der Verlust für das Regionalzentrum Visp grösser, wenn solche Zentren dann andernorts entstünden?
Detaillisten im Ortskern immer mehr unter Druck
Innerhalb weniger Monate erhielten die beiden Oberwalliser Einkaufsmetropolen Brig-Glis und Visp 1995 in ihren Zentren ernsthafte Konkurrenz; praktisch an der Peripherie waren zwei neue, gewichtige Schwerpunkte geschaffen worden. Was grosse Anbieter alles vorkehren, um den potenziellen Kunden nicht nur Ware, sondern ein Einkaufserlebnis, ein Stück Freizeitgeschehen zu vermitteln, wurde nun westlich der Ritikapelle im neuen, grössten Shoppingcenter des Oberwallis demonstriert.
Das Einzugsgebiet, also der «Kuchen», den sich die beiden Talgemeinden mit einer Reihe anderer Konkurrenten verschiedenster Art geteilt hatten, betrug circa 70 000 Personen. Er würde in absehbarer Zeit kaum grösser werden; darüber war man sich im Klaren. Dennoch wurde kurz darauf gegenüber dem Migros-Bau an der Kreuzung Talstrasse/Kantonsstrasse in Visp der erste Spatenstich für ein neues Coop-Center getan. Und weiter westlich war nach wie vor ein Grossflächenprojekt der Magro im Gespräch.
Auch wenn die zu diesem Zeitpunkt in der ganzen Schweiz festgestellte anhaltende Kaufabstinenz als vorübergehend betrachtet wurde, deutete hier doch alles darauf hin, dass die Aufgabe der Detaillisten in den Ortskernen immer schwieriger wurde und dass sie sich vermehrt auf ihre Stärken besinnen und diese betonen mussten.
[Siehe auch Kapitel 22.09 «Das Oberwalliser Zentrum für Grossflächengeschäfte».]
6 593 Einwohner
Am 4. Dezember 1991 zählte Visp 6 593 Einwohnerinnen und Einwohner, 724 Gebäude und insgesamt 2 311 Wohnungen.
Papeterie Jullier gab auf
1993 übernahm die Briger Papeterie und Buchhandlung ZAP die Papeterie Jullier, die diesen Bereich während Jahrzehnten an der unteren Bahnhofstrasse betreut hatte.
Berner Loeb in Visp
Im Zug der Veräusserung der Jelmoli-Warenhäuser in Brig und in Visp schaltete sich nach Globus und Coop erwartungsgemäss auch die Gruppe des Berner Warenhauses Loeb ein. Auf 1. August 1996 übernahm Loeb das Jelmoli-Warenhaus in Visp.