Kapitel Nr.
Kapitel 18.16

Der Visper Gottesacker, einer der schönsten Friedhöfe des Wallis

Dass Visp schon in «heidnischer», also vorchristlicher Zeit besiedelt war, ist seit 1914 erhärtet: Nachdem man im Frühjahr 1914 mit den Arbeiten für die Neuanlage des heutigen Friedhofs westlich der Pflanzetta begonnen hatte, soll beim Aushub eine Begräbnisstätte entdeckt worden sein, die Fachleute als vorchristlich deuteten. 

Der erste christliche Friedhof in Visp war allerdings auf dem Platz rund um die untere Kirche angelegt, später rund um die Pfarrkirche St. Martin. Die Verstorbenen wurden neben der Kirche bestattet, noble Familien fanden – gegen Bezahlung – ihre Grabesruhe in einer Gruft innerhalb der Kirche. Der Friedhof bei der unteren Kirche soll im 13. Jahrhundert den Dahingeschiedenen der Pfarrei als letzte Ruhestätte gedient haben und von einer grossen Ulme beschattet gewesen sein. 

Die Christen liebten es, die Friedhöfe um die Kirchen herum anzulegen, damit die Gläubigen im Tod dort ruhen konnten, wo sie ihr geistiges Leben und ihre geistige Nahrung empfangen hatten. Ein weiterer Grund war wohl, dass die Angehörigen der Gemeinde beim Eintritt in die Kirche auch der Verstorbenen fromm gedachten. Die Toten ruhten so mitten unter den Lebenden und bildeten mit ihnen eine Gemeinschaft. 

Der Friedhof des Mittelalters war auch ein Ort der politischen, juristischen und sozialen Aktivitäten, schliesslich sogar ein Ort des Asyls: Man hielt hier Gericht, segnete Ehen und taufte, man exkommunizierte, rief zum Kreuzzug und zu Pilgerfahrten auf. Ebenso wurden hier Brot und Almosen verteilt sowie Ablässe entgegengenommen. Offenbar fanden auf dem Friedhof auch andere Feiern als Beerdi­gungen statt, denn Tänze, profane Gesänge, Kegeln und Steinstossen waren ausdrücklich verboten.

Vor Mitte der 1950er-Jahre befanden sich entlang der St. Martinskirche noch ein Friedhof und ein Beinhaus. Zu diesen führte im Südosten ein Aufgang mit einem Tor.

Fotograf unbekannt, erschienen in Fux 1996, zVg/Christian Fux

Platzmangel bei Epidemien

Die um die beiden Kirchen herum verfügbare Fläche war beschränkt. Vor allem in Zeiten epidemischer Krankheiten, die wiederholt auftraten, war nicht genügend Raum vorhanden. In solchen Zeiten, die von grossem Sterben geprägt waren, dürfte es zu einem regelrechten Platzmangel gekommen sein – dies, wenn man bedenkt, wie gross die Bevölkerung war, die der damaligen Grosspfarrei Visp angehörte, deren sämtliche Toten hier beerdigt wurden. Für die Beerdigung der Verstorbenen wurden denn auch Teile des heutigen St. Martiniplatzes beansprucht. Dieser war damals noch breiter angelegt als heute, bis Ende des 17. Jahrhunderts das Burgener-Haus mit seinen Arkaden einen Teil davon einnahm. 

Um anlässlich von Beerdigungen nicht grassierende Seuchen weiterzuverbreiten, wurden einschneidende Massnahmen ergriffen. Einzelpersonen begrub man allerdings oft ohne öffentliche Vorschriften zu befolgen dort, wo es am einfachsten und billigsten schien, nicht immer in geweihtem Boden. So berichtete Thomas Platter (1499–1582), seine Mutter sei eine tapfere Frau gewesen; ihre drei Kinder, die an der Pest starben, habe sie selbst begraben, weil die Beerdigung durch den Totengräber zu viel gekostet hätte.

Im Lauf der Jahrhunderte erwies sich die Verlegung und Neuanlage des Friedhofs als unerlässlich. Um die untere Kirche herum war schon seit geraumer Zeit nicht mehr beerdigt worden. Mit der Einführung des Bundesstaats 1848 wurde das Bestattungswesen zu einer Aufgabe der weltlichen Behörde, das heisst der Munizipalität. Schon um 1850, also kurz nach der Einführung der Munizipalgemeinde, erging bereits eine diesbezügliche Forderung der Kantonsregierung an die Visper.

Der Kirchenrat der Pfarrei, die damals noch die Gläubigen der Gemeinden Visp, Eyholz, Lalden, Baltschieder, Gründen und Albenried umfasste, bezeichnete am 4. August 1850 den Acker beim alten Röderer-Haus westlich der Pflanzetta als geeignete Baustelle. Damit aber hatte es für sie einstweilen sein Bewenden; zum Bau des Friedhofs sollte es vorläufig nicht kommen. 

1896 erneuerte der Staatsrat seine Aufforderung an die Gemeindeverwaltung, einen neuen Friedhof zu bauen. Erneut aber liessen sich die Visper Zeit dieser nachzukommen.

Es brauchte eine Friedhofmauer

Der Staatsrat hatte am 18. September 1848 beschlossen, dass die Gemeinden die Friedhöfe mit Mauern versehen mussten; auf den Grabfeldern durfte kein Vieh weiden oder herumirren. Im Volksmund hiess es allerdings, eine Friedhofmauer sei unnötig, denn diejenigen, die draussen seien, wollten ja nicht hinein, und diejenigen, die bereits drinnen ruhten, könnten nicht hinaus.

Die Gräber mussten eine Tiefe von sechs Fuss, circa 1,80 Meter, aufweisen und durften erst nach 15 Jahren wieder geöffnet werden.

Anrecht auf ein schickliches Begräbnis

Offenbar gab es bei den Begräbnissen Missstände, bei denen man sich in frühere Jahrhunderte zurückversetzt glaubte. Das kantonale Departement des Innern machte am 29. Mai 1889 die Gemeinden auf Artikel 53 der Bundesverfassung aufmerksam, wonach jede verstorbene Person Anrecht auf ein schickliches Begräbnis habe. 

Geistliche mussten nicht in Funktion treten, wenn die verstorbene Person ihre Dienste nicht beanspruchen wollte. Die zivile Behörde hatte aber dafür zu sorgen, dass die Verstorbenen auf dem Friedhof der Gemeinde beerdigt wurden. Für Personen, die einer anderen Religion angehörten, sollte auf dem gemeinsamen Friedhof ein separates Feld bezeichnet werden. Zu jener Zeit betraf dies im Wallis praktisch nur die Stadt Sitten.

Kein Glockengeläut für Reformierte

Im Frühjahr 1903 geriet Visp in die Schlagzeilen der Oberwalliser Presse. Grund dafür war, dass die Glocken der St. Martinskirche anlässlich eines besonderen Anlasses nicht hätten ertönen dürfen. Ausgelöst hatte diesen Streit der Hinschied des beliebten Werkmeisters des Depots der Visp-Zermatt-Bahn, Charles Junod. Die Achtung und die Sympathie, welche der aus der Romandie stammende Verstorbene in der Bevölkerung genoss, zeigte sich bei der grossen Beteiligung an seinem Begräbnis, an dem auch die Gemeindebehörde durch ihren Präsidenten, den Vizepräsidenten und einen weiteren Gemeinderat vertreten war. Einzig der Dorfpfarrer Josef Supersaxo mochte sich der allgemeinen Sympathiekundgebung nicht anschliessen. Er fasste einen Beschluss, der in der Bevölkerung kein Verständnis fand, ja sogar Empörung auslöste: Bei der Beerdigung verbot er kurz und bündig das Grabgeläut der Kirchenglocken. Grund: Charles Junod war reformiert und hatte so kein Anrecht auf das «katholische» Glockengeläute. Das liess sich die Gemeindebehörde nicht bieten. Unter der Führung von Gemeindepräsident Pierre-Marie Wyer und Vizepräsident Francis Burgener wurde der Glockenturm mit Gewalt geöffnet und die Glocken wurden geläutet. Daraufhin wurde die Auseinandersetzung in die Presse getragen. Der «Walliser Bote» mit dem priesterlichen Redaktor Theodor Arnold verteidigte mit Vehemenz den Entscheid des Pfarrers, während der «Briger Anzeiger» schrieb, dass das Vorgehen des Geistlichen, das Geläute zu untersagen, von keinem rechtlich Denkenden gebilligt werde.

Auch im Tod waren nicht alle gleich

Noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein mussten in Visp für das Begräbnisgeläut ansehnliche Gebühren bezahlt werden, mit denen die Glöckner entlöhnt wurden.

Die Unterschiede bei den Tarifen aus dem Jahr 1817 bestanden noch mehr als hundert Jahre später. Sie basierten darauf, dass die Toten in eine Vierklassengesellschaft eingeteilt wurden. Dem Spruch, im Tod seien alle gleich, stand das diametral entgegen.

Da war die grosse Glocke für die öffentlichen Amtspersonen (20 Pfund), die «Belwalderi» für die vermögenden Burger (15 Pfund), die grosse Glocke in der unteren Kirche für die Burger 3. Klasse (10 Pfund) und schliesslich die Mittagsglocke für die Burger 4. Klasse (5 Pfund).

Die Einwohner und Hintersässen sollten im Verhältnis zu ihrem Vermögen bezahlen.

Der neue Friedhof bot Raum für 1200 Gräber

Erst 1914 wurde die Frage des Friedhofstandorts endgültig gelöst, als sich das Gut im Kehr der damaligen Talstrasse – heute Planetenweg – von der Familie Mathier erwerben liess. Diesmal nahmen die Visper die Erdarbeiten sofort in Angriff. Der damit beauftragte Siderser Unternehmer Eugen Bizof konnte die Arbeiten bereits im darauffolgenden Frühjahr abschliessen, dies zum Preis von 10 000 Franken. Die gesamten Kosten beliefen sich auf rund 40 000 Franken. 

Der neue Friedhof, der nach den Plänen des Siderser Architekten Marc Burgener angelegt worden war, bot Raum für 1200 Gräber. Die stimmungsvolle Umgebung mit der Mischabelgruppe im Süden und die gesamte Anlage mit dem reichen Blüten- und Blätterschmuck machten den Friedhof zu einem der schönsten des Wallis.

Gesegnete und ungesegnete Felder

Anfänglich und noch bis in die 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts nahmen im südlichen linken Sektor die Kindergräber einen bedeutenden Teil des Friedhofs ein. Die Kindersterblichkeit war in früheren Zeiten noch beträchtlich. Dabei handelte es sich nicht nur um Todesfälle bei Geburten. Auch im Schulalter forderte vor allem die Lungentuberkulose ihre Opfer. Die damals noch allzu oft vorherrschenden prekären Wohnsituationen und mangelhafte hygienische Verhältnisse erwiesen sich als gesundheitsgefährdend. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fanden nicht alle Kinder ihre letzte Ruhe im Kindersektor.

Nicht selten verstarb bei der Geburt auch die Mutter einer bereits kinderreichen Familie mit ihrem Kind. Die beiden wurden zusammen beerdigt und hinterliessen einen ratlosen Ehemann und eine mutterlose Kinderschar, die dann oft nicht zusammenbleiben durfte.

Einen besonderen Sektor, im Friedhofsareal unten links gelegen, bekamen die Angehörigen anderer Konfessionen zugewiesen. Das Besondere an diesem Teil des Friedhofs bestand darin, dass er vom katholischen Klerus nicht gesegnet war. Wer nicht römisch-katholischen Glaubens war, wurde also in einem eigenen Abteil in sogenannt «ungeweihter Erde« bestattet.

Die Schaffung dieses Sektors war das Resultat des Baubeschlusses, welchen die fünf Gemeinden innerhalb der Pfarrei Visp 1914 der Einfachheit halber unter sich gefällt hatten. Die Gemeinden hatten nämlich sämtliche Boden- und Baukosten ausserhalb der Pfarreirechnung berappt und auch der spätere Unterhalt ging restlos zu ihren Lasten. 

Reformiert waren insbesondere Arbeitskräfte, welche die Lonza in der übrigen Schweiz rekrutiert hatte und die in Visp allmählich sesshaft geworden waren. Einige heirateten auch in Visper Familien hinein. Auch dies führte dazu, dass die Trennung zwischen einem «katholischen» und einem «reformierten» Sektor des Friedhofs mit der Zeit nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Seit den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts steht der gesamte Friedhof jedem Einwohner, jeder Einwohnerin als letzte Ruhestätte zur Verfügung.

Visper Schädel untersucht

Zu Forschungszwecken untersuchte Eugène Pillard, Professor für Anthropologie und Prähistorie an der Universität Genf, 1910 in Visp 50 männliche und 31 weibliche Schädel.

Sohn auf dem alten, Tochter auf dem neuen Friedhof

1915 wurde der neue Friedhof für Beerdigungen freigegeben. Die letzte Beerdigung auf dem alten Friedhof vor der Kirche und die erste auf dem neuen betraf die gleiche Familie. Moritz Ruppen, Sohn des Baptist, wurde noch auf dem alten, seine Schwester Monika Ruppen, des Baptist, auf dem neuen Friedhof beerdigt.

Die Orgel, die im Ruhestand pfiff

Im Herbst 1925 wurde die Orgel der unteren Kirche einer umfassenden Renovation unterzogen. Dafür bezahlte die Burgerschaft einen beträchtlichen Betrag an ein Unternehmen in Männedorf. Am 27. März 1927 richtete der Burgermeister ein geharnischtes Reklamationsschreiben an die ausführende Firma. Dort hiess es: «Denn seit einigen Monaten functioniert diese Orgel nicht mehr gut. Beim Offenhalten der Register pfeift und summt dieselbe im Ruhestande. Dieser Defekt, welcher höchst unangenehm ist, rührt wahrscheinlich von ungenügender Dichtung des Blasebalges her.» Eine Renovation, die so teuer war, sollte doch gewiss mehr als zwei Jahre halten.

Unterstalden löste sich von der Pfarrei Visp

Während Visperterminen seit 1716 eine eigene Pfarrei bildete, blieb Unterstalden noch fast 200 Jahre bei der Pfarrei Visp.
Der Beschluss der Abtrennung von der Kirche von Visp und zur Angliederung an jene von Visperterminen erfolgte im Spätherbst 1908 in Anwesenheit der beiden Pfarrherren von Visp und Visperterminen. Der Bischof gab seine Zustimmung aber erst 1916.

Der östliche Teil des Friedhofs mit dem Eingangstor und der Friedhofmauer der St. Jodernstrasse entlang, gegenüber der Überbauung Pflanzetta. Die achteckige offene Kapelle schliesst den Friedhof seit 1914 im Süden ab.

© Christian Pfammatter

Familiengräber beanspruchten Platz

1914 wurde am oberen, südlichen Ende des neuen Friedhofs eine schlichte Kapelle gebaut, eine nach Norden offene Rotunde mit einem Pietà-Altar; die Kapelle ist der «Schmerzhaften Mutter Gottes» geweiht. Ihr Bau kostete ungefähr 4 000 Franken. 

Auf dem damals neuen Friedhof gab es bis Anfang der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts Familiengräber. Die grössten, der südlichen Friedhofmauer entlang angelegt, beanspruchten die angesehensten Familien. Auch auf dem übrigen Friedhoffeld konnten Familiengräber für die Dauer von 50 Jahren erworben werden. Wer kein Familiengrab besass – das gilt noch heute für den grössten Teil der Bevölkerung – musste sich «in der Reihe» beerdigen lassen.

Gründen noch am neuen Friedhof beteiligt

Gründen unterhalb Ausserberg bestand 1914 noch als Gemeinde und war kirchlich der Pfarrei Visp zugeteilt. Deshalb beteiligte es sich 1914 am Bau des neuen Friedhofs in Visp. Im Herbst 1923 fusionierte Gründen mit der Gemeinde und der Pfarrei Ausserberg.

Bis zum Neubau der Pfarrkirche St. Martin Mitte der 1950er-Jahre war an die südliche Aussenwand der Kirche ein Beinhaus angebaut. Die zweimal unterbrochene Öffnung ist auf Aussenaufnahmen der damaligen Kirche gut zu erkennen.

Aus dem Fundus der ehemaligen Druckerei Mengis

Visp verfügte bis 1953 über ein Beinhaus

Auch der etwas seltsame Brauch, Schädel und Gebeine der Ahnen zu sammeln, aufzubewahren und gar auszustellen, wurde in den Beinhäusern übernommen. In Visp gab es an beiden Kirchen ein Beinhaus, beide gehören der Vergangenheit an. In Visp war das Beinhaus, in dem die Schädel und Gebeine der Toten aufgerichtet waren, mitten in die südliche Kirchenwand eingelassen: ein Raum, der äusserlich wenig auffällig war, was den Umstand unterstreicht, dass im Tod alle gleich sind. Im Beinhaus von Naters steht noch heute in grossen Lettern: «Was ihr seid, das waren wir, was wir sind, das werdet ihr.» 

Der Vergrösserung der Visper Pfarrkirche zwischen 1953 und 1955 fiel auch das Beinhaus zum Opfer. Bis zuletzt wurde diesem Ort jeweils am Tag nach der Beerdigung anlässlich des «Natüe» ein Besuch mit Gebet abgestattet, dies bei einer kleinen Prozession, die um die Kirche herumführte.

Heute dürfte der Tod weniger im Bewusstsein sein als früher, als man ihm zwar vorsichtig, aber sachlich begegnete – vor dem Hintergrund von Religion und Magie. Heutzutage liegen Sterbende öfter in Spitälern oder Pflegeheimen, Verstorbene in der Aufbahrungskapelle, abseits vom alltäglichen Leben.

Friedhofsfläche 1963 und 1970 bedeutend erweitert

Im Herbst 1963 erwarben die Gemeinden der Pfarrei Visp Boden für eine künftige Erweiterung des Friedhofs, wobei der Ankauf durch die Pfarrei getätigt wurde, da auch der bisherige Friedhof auf dem Register der Pfarrei eingetragen ist. Protokollarisch hielt man fest, dass die Gemeinden keine Entschädigung zu entrichten hatten, falls der Friedhof zu einem späteren Zeitpunkt auf die Gemeinden übertragen werden sollte. 

Mit dem Kauf von insgesamt 5 627 Quadratmetern Boden erhöhte sich die Fläche des Visper Friedhofs auf total 10 264 Quadratmeter. 

In einer zweiten Etappe wurden 1970 weitere 1 419 Quadratmeter hinzugekauft, sodass die gesamte Anlage heute eine Fläche von 11 683 Quadratmetern aufweist – fast so gross wie der Sportplatz Mühleye.

Da der Friedhof eine weltliche und nicht eine kirchliche Angelegenheit ist, hätten die Gemeinden Visp, Baltschieder und Lalden hierfür eine Zweckgemeinschaft eingehen können. Da aber die gleichen Gemeinden auch die Pfarrei bildeten, kam man zu dieser Lösung: Die Finanzierung des Bodenankaufs hatte jährlich über den Kultus zu erfolgen. Die Gemeinde wollte eine Amortisationsquote von rund 18 000 Franken pro Jahr leisten. Die Berechnung der Anteilsquote der Gemeinde Visp erfolgte gemäss der Einwohnerzahl. Dabei wurden die Protestanten mitgezählt, dies im Gegensatz zur Methode für die Berechnung der Kultusausgaben, bei der lediglich auf die Zahl der Katholiken abgestellt wurde. Für den Ankauf wurde der bestehende Friedhoffonds (39 643 Franken) verwendet. Die Erträge aus dem Gräberverkauf sollten zusätzlich zur Amortisation der Schuld verwendet werden, die nach Abzug des Fonds noch rund 400 000 Franken betrug.

Die Ausbaukosten für die Erweiterung des Friedhofs, inklusive Bodenerwerb, beliefen sich 1970 auf 1 228 777 Franken.

Neue Platzverhältnisse dank Kremation

Was bei den Katholiken noch Mitte der 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts verpönt war – die Einäscherung des Leichnams und die Beisetzung der Urne mit der Asche – war bei den Reformierten schon früher aufgekommen. Nach und nach wurde diese Art der Bestattung auch von der grossen Mehrheit der Katholiken am Ort bevorzugt. Im 21. Jahrhundert sind die früher selbstverständlichen Erdbestattungen zur Seltenheit geworden. Urnen benötigen bedeutend weniger Platz als Särge, auch als die grossen Familiengräber, wie sie noch vor hundert Jahren angelegt wurden. Damit dürfte die räumliche Erweiterung des Visper Friedhofs von 1963 die letzte gewesen und das Platzproblem wohl für alle Zukunft gelöst sein.

Zu dieser neuen Sachlage trugen gegen Ende des 20. Jahrhunderts auch säulenartig angeordnete Urnengräber mit individuellen Abteilen sowie das von vielen gewählte Gemeinschaftsgrab am Rand des südwestlichen Teils der Erweiterung bei. Das Gemeinschaftsgrab für Visp und Baltschieder, das mit schlichten Namensschildern an die Verstorbenen erinnert, kommt auch den Wünschen von Angehörigen entgegen, die nicht mehr in Visp wohnen und sich deshalb nicht in der Lage sehen, ein Grab würdig zu erhalten und jeweils mit Blumenschmuck zu versehen.

Vorbildliche Aufbahrungshalle

Früher wurden die Verstorbenen bis zur Beerdigung am dritten Tag in ihrer Wohnung, wo die Angehörigen lebten, aufgebahrt. Dort fanden auch die Kondolenzbesuche statt.

Als in grösseren Orten der Schweiz bereits Vorschriften galten, dass ein Leichnam spätestens zwei Stunden nach Eintreten des Todes in die Aufbahrungshalle der Allgemeinheit verbracht werden musste, wurde auch in Visp eine Aufbahrungshalle erstellt; die Nutzung war freiwillig. Der Raum erwies sich bald als zu klein; er bot zu wenig Platz für Kondolenzbesuche. 

Seit den 90er-Jahren werden die Verstorbenen auf dem Visper Friedhof in einem zweckmässigen Gebäude beim Friedhof aufgebahrt.  

Um das Begiessen der Gräber zu vereinfachen, beschloss der Gemeinderat 1999 auf dem Friedhof eine automatische Bewässerungsanlage installieren zu lassen.

Das Eingangstor bei Nacht.

© Peter Salzmann

Friedhofbesuch an Allerheiligen

Zumindest einmal im Jahr finden sich Ortsansässige und Heimweh-Visperinnen und -Visper in grosser Zahl auf dem Friedhof ein: Anfang November an Allerheiligen, dem Tag vor Allerseelen. Sie begehen eine Gedenkfeier und treffen sich anschliessend in der Familie, um gemeinsam der Dahingeschiedenen zu gedenken.

Der Visper Friedhof 2004, im westlichen Teil die Aufbahrungshalle.

© Peter Salzmann

Weitere Inhalte des Kapitels 18, 1908–1925

Am neuen Industrieort formierten sich politische Parteien

Kapitel Nr.
Kapitel 18
Zeithorizont
1908–1925

Visper im Walliser Staatsrat

Kapitel Nr.
Kapitel 18.08

Ein Pflanzgarten zur Baumaufzucht

Kapitel Nr.
Kapitel 18.20