Kapitel Nr.
Kapitel 18.23

Talstrasse sollte nicht über den Schulhausplatz führen

Noch 1919 war Stalden von Visp aus – abgesehen von den Sommermonaten, als die Bahn zur Verfügung stand – nur auf einem Saumweg erreichbar. Eine «Wagenstrasse» war notwendig.

8 000 Talbewohner brauchten eine Strasse

Der «Walliser Bote» schrieb am 4. Juni 1919: «Dass eine Strasse ins Vispertal absolut notwendig ist, das wird heute wohl jedem Vernünftigen zur Genüge einleuchten. Hat doch jedes grössere Tal, vielfach jede grössere Gemeinde, in der lieben Schweiz und auch im lieben Wallis eine eigene Strasse oder Bahn, denken wir nur an den Bezirk Sitten, so kann man auch dem Vispertal seine Wagenstrasse nicht mehr länger vorenthalten. Handelt es sich hier doch um zwei weit verzweigte Täler mit circa 8 000 Einwohnern, die sich auf 15 bis 16 Gemeinden verteilen, worunter gar weltberühmte Fremdenkurorte sind. 

Das Vispertal hat doch seine Bahn, wird man sagen. Ja, aber nur für vier bis fünf Monate. Für den Rest des Jahres aber – und das Saastal gar für das ganze Jahr – bleiben wir auf den vielfach fast elenden, holperigen Saumweg angewiesen. 

Die Strasse ins Vispertal ist absolut notwendig. Vorläufig wenigstens von Visp nach Stalden. Dies weil diese Strecke schon im letzten Herbst – 1918 – abgemessen und abgesteckt war.»

Der grosse Schulhausplatz entlang der Talstrasse und der Vispa. Noch 1919 war Stalden von Visp aus, abgesehen von den Sommermonaten, als die Bahn zur Verfügung stand, nur auf einem Saumweg erreichbar. In den Zwanzigerjahren war der Verlauf der neuen Talstrasse lange umstritten. Zeitweise sollte sie mitten über den Schulhausplatz und direkt vor dem Eingang des Schulhauses vorbeiführen. Der Bau der Talstrasse Visp–Stalden begann 1925.

Fotograf unbekannt, erschienen in Fux 1996, zVg/Lonza AG

1922 Baubeginn der Talstrasse

Ein Projekt für die Strasse Visp–Stalden bestand bereits 1915, der Bau erfolgte aber erst Jahre später. Der Visper Gemeinderat beschloss 1916, die Verteilung der Baukosten für die Strasse zu verlangen, und zwar, weil eine Einigung unter den Gemeinden voraussichtlich nicht zustande kommen werde. Die Verteilung solle der Staat vornehmen. 

Am 21. Juli 1920 äusserte der Gemeinderat die Ansicht, dass die Ausführung des Projekts der Talstrasse Visp–Stalden vorläufig nicht ausführbar sei, dies in Anbetracht der hohen Kosten. 

Die von über 200 Visper Bürgern besuchte Urversammlung vom 20. November 1921 beschloss auf Antrag des Rats einstimmig durch Handmehr, grundsätzlich den Bau der Fahrstrasse in die beiden Vispertäler zu verlangen und ebenso die sofortige Inangriffnahme der Strecke Visp–Stalden. Zudem beschloss sie den Beitritt zu einem sich bildenden Syndikat unter den Gemeinden und die Gewährung der erforderlichen Kredite für das erste Teilstück. 

1922 wurde die Planung für den Bau der Wagenstrasse von Visp nach Stalden in Angriff genommen. Damals belief sich der Kostenvoranschlag dafür auf 800 000 Franken. Die Kantonssubsidien sollten die Hälfte davon decken. Für die restlichen 50 Prozent schlossen sich die Gemeinden Visp, Stalden, St. Niklaus und Grächen zusammen und erwirkten so bei der Kantonalbank einen Kredit von 400 000 Franken. Die eingehendere Planung zeigte jedoch bald, dass die Arbeit an dieser Strassenanlage rund 1,2 Millionen Franken kosten würde. Dem Projekt nicht förderlich war dann die Absicht des Kantons, seinen Anteil nur in jährlichen Raten von 50 000 Franken zu begleichen, Zahlungsschwierigkeiten waren die Folge. 

Als es darum ging, den Beitrag der Gemeinden des Bezirkes zu fixieren, «verdonnerte» der Staat die Gemeinde Visp zu einem Kostenanteil von 26,7 Prozent. Einmal mehr fühlten sich die Visper diesbezüglich ungerecht behandelt.

Die Urversammlung vom 12. März 1922 gewährte dann den nötigen Kredit für die Erstellung der Talstrasse Visp–Stalden.

Bis Ende 1923 vollendet?

Am 13. April 1922 erklärte der Visper Gemeinderat, am ersten Beschluss der Übergabe der Talstrasse festzuhalten; diesen hatten die vier interessierten Gemeinden gemeinsam im Einvernehmen mit dem Vorsteher des kantonalen Baudepartements gefasst. Gemäss diesem Beschluss wurden die Lose 3 und 1 den Unternehmern Donazola und Mathier übergeben und die Arbeiter aus den interessierten Gemeinden sollten ein gewisses Vorzugsrecht geniessen. Hingegen war der Gemeinderat damit einverstanden, dass der Vollendungstermin auf Ende 1923 festgesetzt wurde. Es zeigte sich, dass punkto Strassenführung in Visp noch einiges zu bereinigen war, und so gingen drei weitere Jahre ins Land.

Talstrasse musste 4,8 Meter breit sein

Allgemein entstand bald darauf die Meinung, ein Strassenanschluss durch die Stapfe sei zu gefährlich und zu unbequem. Aus diesem Grund verlangte der Gemeinderat am 27. April 1922 vom kantonalen Baudepartement, für die Einfahrt der Talstrasse eine neue Variante zu studieren: Napoleonstrasse, Fülagasse, Blauer Stein und die Zufahrt vom Kaufplatz aus. 

Am 28. Juli 1922 lag offenbar ein weiterer Entwurf des Projekts der Talstrasse Visp–Stalden vor. Der Gemeinderat beschloss, sofort Einsprache zu erheben und zu verlangen, dass die Strasse unbedingt mindestens 4,80 Meter breit sein müsse. Die Strasse von Visp nach Stalden musste gemäss Gesetz des Landrats vom 21. Dezember 1822 12 Schuh (1 Schuh = 30 Zentimeter) breit sein, wenn sie den Fuhrwerken geöffnet wurde.

Im März 1924 legte der Staat der Gemeinde zwei Projekte vor. Mit dem Bau der 4,8 Meter breiten Strasse wurde 1925 begonnen.

Talstrassenzufahrt nicht durch Baumgärten

Offensichtlich gab es für die Einfahrt der neuen Talstrasse in die Ortschaft Visp auch ein Projekt, das durch die Baumgärten führen sollte. Am 10. März 1923 beschloss der Gemeinderat, dieses Projekt nicht anzunehmen. Vielmehr sollte die Verlängerung in dem Sinne abgeändert werden, dass die Abzweigung über den Blauen Stein auf den Kaufplatz weitergezogen wurde. Die direkte Verlängerung der Talstrasse sollte möglichst gegen den Mühlenwuhr am Trassee der Visp-Zermatt-Bahn verlegt werden. Jedenfalls sollte die Einfahrt beim Garten Bodenmüller verbreitert werden. 

Im März 1924 legte der Staat der Gemeinde zwei Projekte vor: 

  • das Projekt durch die Baumgärten mit einer Kostensumme von 125 000 Franken, 
  • das Projekt über den Schulhausplatz, die Märtmatte mit einer Abzweigung durch die Kaplaneigasse nach dem Blauen Stein. 

Vom «Brandenburger Tor» in gerader Verlängerung über die Märtmatte bis zur Napoleonstrasse lautete der Kostenvoranschlag auf 20 000 Franken und die Abzweigung zum blauen Stein 5 000 Franken. 

An der Urversammlung vom 13. April 1924 beantragte der Rat, die Verlegung der Strasse längs des Schulhausplatzes, dem Mühlenwuhr entlang und die Verlängerung der Abzweigung vom Blauen Stein zum Kaufplatz in Aussicht zu nehmen. 

Der Gewerbeverein beantragte die Einfahrt durch die Spitalmatte (altes Spittel) dem Felsen entlang zum Blauen Stein auf den Kaufplatz. Er wollte diese Einfahrt zur Haupteinfahrt in die Ortschaft gestalten. Einen definitiven Beschluss konnte die Urversammlung nicht fassen, weil die Leute der Feuerwehr fehlten.

Verlauf der Strasse in Visp bot weiterhin Probleme

Nach einer Ortsschau verfügte der zuständige Staatsrat Delacoste: Wolle die Gemeinde Visp heute ein anderes Projekt als das vorgeschlagene – vom Baumgärten-Projekt war nicht mehr die Rede – zum Beispiel die Verlegung der Strasse nach dem Mühlenwuhr, so sei hierfür ein neues Dekret notwendig. Die Fortsetzung der Zufahrt zum Blauen Stein bis zum Kaufplatz werde der Staat nicht ausführen können, da er im Ortsinnern der Gemeinden keine Strassen baue. Der Schützenstand brauche nicht abgeändert zu werden, da man an den Schiesstagen den Verkehr über den Blauen Stein umleiten könne. Als Folge dieser Besprechung sah das Baudepartement dann die neue Zufahrt durch die Spittelmatte zum Blauen Stein vor und trug dies auf dem Plan nach. Schon seit geraumer Zeit war der Strassenbau Visp–Stalden ansonsten – endlich – vollendet. Nur für die Einfahrt in die Ortschaft hatte man noch keine Lösung gefunden. Dabei stehe man unmittelbar vor der allgemeinen Verteilung der Kosten der Talstrasse. Man müsse daher unverzüglich Hand anlegen, damit dieses Visper Reststück noch vorher ausgeführt und in die Gesamtkostenverteilung einbezogen werden könne.

Strasse mitten über den Schulhausplatz?

Da die Ansichten über die Zweckmässigkeit der vorliegenden Projekte für diese Einfahrt weit auseinandergingen, sollten dieselben den Experten unterbreitet werden. Diesen Projekten würden bedeutende Mängel anhaften, hiess es. So führe die Strasse mitten über den Schulhausplatz und direkt vor dem Eingang des Schulhauses vorbei. Als die Gemeinde vor bald 20 Jahren ein neues Schulhaus bauen musste, sei man darauf bedacht gewesen, dasselbe an einem ruhigen, geräuschlosen Ort aufzustellen. Im Interesse des Unterrichts und der Sicherheit für die Jugend sei man damals gewiss gut beraten gewesen. Solle man nun heute Projekte stumm annehmen, auf denen das Schulhaus als Eckpunkt zweier Strassen vorgesehen sei? Abgesehen vom Lärm und den Störungen während des Unterrichts würde die Strasse eine direkte Gefahr für die Kinder beim Verlassen des Schulhauses bilden; aber auch während der Erholungszeit auf dem Schulhausplatz sowie auf dem Schulweg von der Stapfe herauf oder durch die Kaplanei-Gasse zum Blauen Stein. Es liege nicht allzu fern, dass die Schuldauer in Visp auf 9 bis 10 Monate ausgedehnt werden müsse. Wenn aber einmal der Saisonverkehr einsetze, der durch die Saaser Strasse und den Anschluss der Furka-Bahn an die VZ-Bahn eine bedeutende Zunahme erfahren dürfte, so werde das Verweilen der Kinder auf dem Schulhausplatz infolge des Staubaufwirbelns durch die modernen Fahrzeuge widerlich und gesundheitsschädlich. Unnütz wäre dann das Geld ausgegeben worden, mit dem man diesen schönen Schulhausplatz und Park erstellt habe. Es sei auch hervorzuheben, dass man im Schulhaus jetzt schon an Raummangel leide. In einigen Jahren werde ein Neubau notwendig sein.

Schutzvorrichtungen beim Schützenstand

Die geplante Abzweigung beim Blauen Stein sei von der Gemeinde verlangt worden, um den Verkehr nach dem Mittelpunkt der Ortschaft zu führen. Wenn der Staat auf dieses Projekt eingegangen sei, so sei dies nicht in der Absicht geschehen, der Gemeinde im Innern Strassen zu bauen, sondern um die Schwierigkeiten betreffend des Schützenstandes zu umgehen, die aber dann früher oder später der Gemeinde allein zur Last fallen würden. 

Der Schützenstand war in den Jahren zuvor mit grossen Opfern neu eingerichtet worden. Sollte nun die Talstrasse über den Schulhausplatz direkt mit der Kantonsstrasse verbunden werden, so wären bedeutende Umbauten als Schutzvorrichtungen nicht zu umgehen. 

Der Sittener Ingenieur Robert Mengis wurde damit beauftragt, das Projekt zu diesem Umbau auszuarbeiten. Inzwischen hatte der Schiessoffizier eine Vereinfachung der Schutzvorrichtung vorgeschlagen. Diese hätte darin bestanden, die Ladebank zurückzuverlegen und vor derselben eine Terrasse oder Eisenbank anzubringen. 

Dies hätte jedoch den Nachteil gehabt, dass im Schützenstand das Knallen der Schüsse viel mehr Lärm verursacht hätte und zudem nur zwei Scheiben zum Stehendschiessen eingerichtet worden wären. Dieses neue Projekt würde jedoch nur für den Fall gelten, dass die Strasse vom Schulhaus in die Märtmatte führen sollte. Es sei nicht denkbar, dass der Schützenstand künftig durch einfache Absperrung der Strasse und Umleitung des Verkehrs über den Blauen Stein so leicht umgangen werden könnte. Der Schützenstand diene nicht bloss der Zunft, es würden dort auch die Militärschiessübungen abgehalten. Schliesslich stehe derselbe den Schützenfreunden zur Verfügung, die sich zwecks Teilnahme an Schützenfesten im Schiessen ertüchtigen wollten. Ferner würde die projektierte Strasse mitten über den engen Marktplatz führen, welcher durch den Ausbau der Strasse an dieser Stelle vollständig unbrauchbar würde. Die Gemeinde sähe sich so veranlasst, sich mit schweren Opfern einen neuen Marktplatz zu verschaffen. 

Die Einfahrt der Talstrasse in die Burgschaft

Am 5. Januar 1925 beschloss der Visper Gemeinderat: «Die Frage der Einfahrt der Talstrasse in die Burgschaft Visp ist einer endgültigen Lösung entgegenzuführen.» Zu diesem Zweck seien fachmännische Experten heranzuziehen, die das Problem dieser Einfahrt in Verbindung mit der Aufstellung eines Entwicklungsplans näher studierten. Der Rat stellte das Begehren, dass die Einfahrt der Talstrasse vor der Aufstellung des Entwicklungsplans erledigt werde. 

Erst 1925 begann der Kanton – nicht Visp – mit dem Bau der Talstrasse Visp–Stalden. Weiter hinten musste man noch viel länger auf die Strasse warten.

Ab 1929 Kantonsstrasse

Am 23. Januar 1916 genehmigte die Urversammlung das Strassenprojekt des Büros Walther ins Bäret zum Neubau Anthamatten (heutige Kantonsstrasse zwischen Bahnhofstrasse und Balfrinstrasse), dies in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Zeiten. Das Projekt war jedoch nur in einfacher Ausführung geplant, speziell ohne Steinbett und damit verbundene Posten. Hingegen sollte der Teil mit Trottoir, Baumpflanzung, Wasserleitung und Abwasserleitung ausgeführt werden.

Weitere Inhalte des Kapitels 18, 1908–1925

Am neuen Industrieort formierten sich politische Parteien

Kapitel Nr.
Kapitel 18
Zeithorizont
1908–1925

Visper im Walliser Staatsrat

Kapitel Nr.
Kapitel 18.08

Ein Pflanzgarten zur Baumaufzucht

Kapitel Nr.
Kapitel 18.20